Proktologische Untersuchung
Wichtige Fragen bei der proktologischen Anamnese
- Schmerzen? Wann treten diese auf? Schmerzcharakter, Dauer, Verlauf?
- Blut- und/oder Schleimabgang?
- Juckreiz?
- Stuhlanamnese (Konsistenz, Farbe, Frequenz), Fremdkörpergefühl? Prolaps? Obstipation? Inkontinenz? Einlagen notwendig?
- Vorgeschichte (Operationen, Geburten, Koloskopien), Familienanamnese (Chronisch entzündliche Darmerkrankung [CED], Karzinome)
- Sexualanamnese, STD, anale Manipulation
- Die proktologische Untersuchung erfolgt in Seitenlage
- Befunde werden nach dem Uhrzeit-System beschrieben
Inspektion
- Hautbeurteilung, Marisken, Perianalvenenthrombosen, Hämorrhoiden, Fissuren, Fisteln, Stuhlverschmutzung, klaffender Sphinkter, Prolaps, Pori, Tumor, Abszesse
Palpation (wenn möglich)
- Tumor, Prostata, Stuhl, Schmerzen, Sphinkter: Tonus, Grösse, Symmetrie, Lücke
Proktoskopie
- Hämorrhoiden, Proktitis, Condylomata
Hämorrhoidalleiden
- Beschwerden sind unspezifisch und hängen nicht vom Schweregrad der Hämorrhoiden ab. Im Zusammenhang mit Hämorrhoidalleiden werden (hellrote) Blutung, analer Gewebeprolaps, Nässen, Stuhlschmieren und Juckreiz beklagt
Merke
- Hämorrhoiden bluten, jedoch selten!
- Defäkationsschmerz weist eher auf eine Fissur hin
- Eine schmerzhafte Schwellung am Anus ist meist eine Perianalvenenthrombose
- Anamnese
- Akuität (plötzlich aufgetretene schmerzhafte Schwellung –> DD: Analthrombose)
- Schmerz bei Defäkation (–> DD: Analfissur)
- Aggravationsfaktoren (Diarrhö, Obstipation, lange Sitzungsdauer, Schwangerschaft, Reise)
- Inkontinenz, Ausfluss (rezeptiver Analverkehr: DD Gonokokken-, Chlamydienproktitis; CED)
- Proktologische Untersuchung (Inspektion, digital rektale Untersuchung, ev. Proktoskopie, ev. Inspektion der Analregion des hockenden und pressenden Patienten)
- Marisken?
- Ekzem?
- Perianalvenenthrombose?
- Hämorrhoidalprolaps?
- Analprolaps, Rektumprolaps? (Ggfls. Untersuchung des hockenden und pressenden Patienten)
- Typischerweise dorsal gelegene Analfissur?
- Sphinktertonus bei digital rektaler Untersuchung in Ruhe und beim Pressen, Kontinenz?
- Koloskopie: Bei red flags in der Anamnese (Lebensalter, für Malignom oder chronisch entzündliche Darmerkrankung suspekte persönliche oder Familienanamnese, Unverhältnismässigkeit von Symptomen und Befunden)
- Richtet sich nach dem Leidensdruck und dem Grad des Hämorrhoidalleidens
- Bei persistierenden/rezidivierenden Beschwerden –> Koloproktoskopie
- Wichtigste Massnahme ist die Stuhlregulation
- Obstipation: Ballaststoffe, Trockenobst, Mucilar®, Movicol®
- Diarrhö: Banane, Leinsamen, Mucilar®
Beachte: DD wie Laktoseintoleranz, Fruktoseüberkonsum (Früchte, Säfte, Smothies, Zuckerersatzstoffe), chronisch entzündliche Darmerkrankung bedenken!
- Bei a- oder oligosymptomatischen Hämorrhoiden muss nicht auf eine interventionelle Behandlung gedrängt werden.
Grad I
- O. g. Basismassnahmen
- Kurzfristig können ev. Suppositorien entzündliche Symptome lindern
- Scheriproct®, Faktu® (auch in SS nicht kontraindiziert)
Grad II
- Gummibandligatur: Therapie der Wahl, falls konservative Massnahmen nicht ausreichen und Hämorrhoiden nicht zirkulär; längerfristig chirurgischen Verfahren unterlegen!
- Alternative Verfahren: Sklerosierung der Hämorrhoiden oder zuführender Hämorrhoidalarterien, Infrarotkoagulation
Grad III
- Chirurgische Therapieverfahren zeigen beste Langzeiterfolge und akzeptable Komplikationsraten
- Segmentärer Hämorrhoidalvorfall: Hämorrhoidektomie (nach Milligan-Morgan und Ferguson)
- Zirkuläre Hämorrhoiden: Stapler-Hämorrhoidopexie (nach Longo)
Grad IV
- Bei akuter Thrombosierung oder Inkarzeration (beides sehr selten!)
–> lokale konservative Therapie mit Antiphlogistika und Analgetika (Restitutio i. d. R. innert wenigen Wochen) - Bei sehr schmerzhafter inkarzerierter Hämorrhoide kann unverzüglich in Lokalanästhesie oder Allgemeinnarkose reponiert werden
- Operative Entfernung des Hämorrhoidalgewebes möglichst nicht im akuten Zustand
- DD: Ödematöse Mariske, partieller Schleimhautprolaps, Perianalvenenthrombose
Hämorrhoiden während der Schwangerschaft
- Chirurgische Behandlung ist kontraindiziert
- Spontanen Verlauf nach der Entbindung abwarten!
- Therapie: Lindernde Massnahmen (Suppositorien, Stuhlregulation)
Marisken
- Keine krankhafte Bedeutung, können ev. bei Analhygiene oder kosmetisch störend sein
- Bei normalem Stuhlverhalten meist asymptomatisch, gelegentlich irritiert (mechanisch/chemisch) durch häufige Reinigung oder Kontaktallergie (z. B. Hygienetücher)
- Bei entsprechender Grösse und Beschwerden chirurgische Resektion möglich
Perianalvenenthrombose
- Unvermittelt auftretendes, teils sehr starkes Druck- und Spannungsgefühl und Bildung eines schmerzhaften bläulich-lividen Knotens am Analrand
- Eine frische Thrombose blutet nicht, ausser im Falle einer spontanen Perforation
- Meist komplette Rückbildung ohne Therapie innert Tagen bis Wochen
- Bei livider, prallelastischer Schwellung in den ersten ein bis zwei Tagen ist nach radiärer Lokalanästhesie eine Entlastung durch Stichinzision möglich, aber nicht unbedingt erforderlich
- In den allermeisten Fällen reicht eine konservative Therapie: Systemische NSAR (für wenige Tage), ggfls. Xylocain® Gel 2 %, ev. Sulgan®/Bepanthen® Salbe und Stuhlmodulation
Analfissur
- Akute Fissur: Teilweise sehr heftiger, schneidender Schmerz bei Defäkation und darüber hinaus anhaltend; Blutung. Die Anamnese ist typisch und daher wegweisend!
- Chronische Fissur: Oft symptomarm, rezidivierende Blutungen
- Inspektion, vorsichtiges beidhändiges Spreizen der Nates; praktisch immer bei 6 h oft in der Tiefe gelegen und nur bei guter Beleuchtung zu sehen
- Akute Fissur: Hochdolent, digitale Untersuchung dann meist nicht möglich
- Bei starken Schmerzen und typischer Anamnese kann initial auf eine digitale Untersuchung und Proktoskopie verzichtet werden
- Chronische Fissur: Blasse, teilweise breite Narbe, oft mit Vorpostenfalte (sog. Wächtermariske), kann völlig indolent sein
- Differentialdiagnose: Z. B. perianaler Abszess, selten Malignome
- Schmerztherapie (z. B. NSAR in der Akutphase, topisches Xylocain® Gel vor sonst schmerzhafter Defäkation)
- Stuhlregulation (Ziel: Weiche Konsistenz, Frequenz nicht zu oft und nicht zu selten)
- Topische Therapie (Behandlungsdauer oft einige Wochen)
- Rectogesic®: 3 x/d auf Fissur und Sphinkter; Vorteil: In meisten Apotheken vorrätig; Nachteil: Nitro-bedingte Kopfschmerzen kurz nach Anwendung
- Magistralrezeptur mit Nifedipin 0,5 % in Excipial Creme und 1 % Lidocain (CHF 33.65)
- Bei Therapieversagen (keine Besserung nach > 4–8 Wochen)
–> Vorstellung beim Proktochirurgen zur Fissurexzision
- Salbenbehandlung: Etwa jeder zweite erleidet Rezidive
- Chirurgische Exzision: Erfolgsrate 80–90 % nach Fissurexzision
- Der Erfolg der konservativen Therapie hängt von der Stuhlregulation ab
Perianaler Abszess
- Innert Tagen auftretende perianale Schmerzen, oft auch perianale Rötung und Überwärmung
- Anamnese: Rezidiv? Anhaltspunkte für M. Crohn oder Fistel?
- Untersuchung: Oft Blickdiagnose (Rötung, Schwellung, Schmerz), bei frühen Stadien oder intersphinktärer Lage teilweise noch unauffälliger Inspektionsbefund, ggfls. kurzfristige Reevaluation
- Sonographie (perianal, Endosonographie), Becken-MRI (insb. bei Verdacht auf komplizierte Fistelverläufe)
- Acne inversa
- Perianale Haarfollikelentzündungen (ohne Verbindung zum Analkanal)
- Chronisch entzündliche Darmerkrankung Typ M. Crohn
- Infizierter Sinus pilonidalis
- Analabszesse bedürfen immer einer chirurgischen Entlastung
Analekzem
- Je nach Akuität Erythem, Papeln, Seropapeln, Bläschen, Erosionen, Lichenifikation
- Irritativ-toxisch: Durch Störung der Feinkontinenz, häufige Reinigung (bei hoher Stuhlfrequenz), bei chronisch entzündlicher Darmerkrankung, proktologischer Erkrankung (Hämorrhoiden, Fisteln, Feigwarzen, Marisken), übertriebener Analhygiene
- Infektiös: Windelekzem, Staphylokokken, Streptokokken, Candida, Oxyuren
- Allergisches Kontaktekzem: Bis zur Sensibilisierung können Jahre vergehen!
- Andere dermatologische Erkrankungen
- Psoriasis in der Rima ani
- Neurodermitis, Condylomata accuminata, Lichen ruber, M. Paget, M. Bowen, Infektionen (Chlamydien, Gonokokken)
- Neoplasien des Anoderms, insb. Analkarzinom (z. B. bei MSM mit HPV-Infekt, HIV)
- DD Vitiligo
- Anamnese (Stuhlfrequenz, -konsistenz, Inkontinenz, Externa?), Untersuchung
- Mikrobiologie
- Hautabstrich bei längerem Verlauf: DD Standortflora oder Infekt (Staph/Strept; Candida; STD)?
- Bei V. a. Oxyuren (Kontakt mit Kleinkindern) morgendliches Abklatschpräparat (durchsichtiger Klebestreifen auf Objektträger)
- Bei Persistenz ev. histologische Abklärung
- Optimierung der Analhygiene
- Normalisierung der Stuhlfrequenz und -konsistenz
- Reinigung mit weichem WC-Papier ohne Zusatzstoffe
- Wasser (Dusche, Dusch-WC)
- Externa meiden (z. B. in Feuchttüchern, Seifen, Salben)
- Behandlung der Grundkrankheit (s. o.)
- Ohne Infekt: Ggfls. für wenige Tage topische Steroide (Advantan®, Alfacorton®)
- Mit Infekt: Je nach Erregergruppe (Fucidin/Fucicort®, Mycolog® Creme)
- Später Excipial®/Optiderm®/Bepanthen® und im Bedarfsfall Cold Cream zur Linderung des Juckreizes
- Zum Oberflächenschutz bei Diarrhö: Bepanthen® Salbe, Zinkpaste (Oxyplastin® Wundpaste, Wundschutzcreme von Lavera oder Cavilon®)
Pruritus ani
- Perianaler Juckreiz
- Reaktionsform „gestresster“ perianaler Haut auf zahlreiche Einflüsse: Zu häufiger Stuhlgang, zu viel Reinigung (irritiativ oder Austrocknung), zu viel Externa, Analekzem
- Anamnese der Risikofaktoren
- DD ausschliessen (Analekzem, Infekt, Inkontinenz)
- Bei V. a. Oxyuren (Kontakt mit Kleinkindern) morgendliches Abklatschpräparat (durchsichtiger Klebestreifen auf Objektträger)
- Information des Patienten: Weniger ist oft mehr!
- Ggfls. ursächliche Behandlung bei Infekt (antiinfektiös), Stuhlkonsistenz,
-frequenz (Leinsamen, Antidiarrhoika, Stuhlmodulation), Mikroinkontinenz (Hämorrhoidenbehandlung) - Patientenbroschüre Analhygiene bei der Magen-Darm-Liga erhältlich
Proctalgia fugax
- Plötzlich auftretende, heftige, ziehende oder stechend-schneidende Schmerzen im Bereich des Anus. Dauer: Oft nur einen kurzen Moment, zwischen den Episoden keine Symptome
- Frauen sind häufiger betroffen als Männer
- Die Proctalgia fugax kehrt in unregelmässigen Intervallen von Wochen oder Monaten wieder
- Ergibt sich aus der Anamnese
- DD ausschliessen (Hämorrhoidalleiden, CED, Abszess, Kokzygodynie?)
- Information und Reassurance des Patienten
- Aufgrund der Kürze und der geringen Frequenz der Episoden kommen medikamentöse Therapieversuche (Nifedipin Salbe, Ventolin® Inhalation) jeweils zu spät
Sexuell übertragbare Krankheiten (STD)
- Analer Juckreiz, diffuses anales Unwohlsein, rektaler Ausfluss, Diarrhö, Warzen können Symptome von STI mit Manifestation im Rektum, endoanal oder perianal sein
- Rezeptiver Analverkehr, ungeschützter GV, Anzahl der Sexualpartner machen STI wahrscheinlicher
- „Dran denken“, explizite Anamnese, Risikoverhalten?
- Inspektion: Condylomata accuminata?
- Abstrich für PCR auf Chlamydien und Gonokokken, bei Nachweis eines Ulkus (DD: Fissur) auch auf Lues, bei Bläschen z. B. auf Herpes
- Falls eine STI nachgewiesenwird, müssen auch die anderen STD gesucht, ausgeschlossen oder behandelt werden; Partnerbehandlung
- Siehe auch mediX GL STD