Proktologie

Erstellt von: M. Fliegner, H. Scotland, F. Huber, U. BeiseZuletzt revidiert: 04/2019 Letzte Änderung: 03/2022

Vorbemerkungen

  • Die Mehrzahl analer Beschwerden in der Praxis des Allgemeinmediziners ist nicht durch die meist als erstes angeschuldigten „Hämorrhoiden“ bedingt, sondern durch eine andere Entität (z. B. Analthrombose, Pruritus ani, Ekzem, Analfissur)
  • Im Falle von analen Beschwerden ist eine genaue Anamnese zu Stuhlgewohnheiten, -frequenz, -konsistenz, Dauer der Sitzungen und den Reinigungsgewohnheiten nach Defäkation wichtig, um eine Vorstellung von aggravierenden oder verursachenden Faktoren zu erhalten
  • Eine Patientenbroschüre zur Analhygiene ist bei der Magen-Darm-Liga erhältlich: http://www.gastromed.ch/analhygiene.html.

 

1. Proktologische Untersuchung in der Hausarztpraxis

Durch eine gute Anamneseerhebung kann in der Proktologie meist eine (Verdachts-)diagnose gestellt werden, die sich durch eine kurze Untersuchung bestätigen lässt.

Anamnese

Wichtige grundsätzliche Fragen bei der proktologischen Anamnese

  1. Schmerzen? Wann treten diese auf? Schmerzcharakter, Dauer, Verlauf?
  2. Blut- und/oder Schleimabgang?
  3. Juckreiz?
  4. Stuhlanamnese (Konsistenz, Farbe, Frequenz), Fremdkörpergefühl? Prolaps? Obstipation? Inkontinenz? Einlagen notwendig?
  5. Vorgeschichte (Operationen, Geburten, Koloskopien), Familienanamnese (Chronisch Entzündliche Darmerkrankung [CED], Karzinome)
  6. Sexualanamnese, STD, anale Manipulation.

Untersuchung

  • Die proktologische Untersuchung erfolgt in der Hausarztpraxis am einfachsten in Seitenlage. Es bietet sich (in Hinblick auf die für den Patienten meist unangenehme Situation) an, den Patienten so zu lagern, dass er mit dem Gesicht zur Tür schaut, falls die Liege frei im Raum steht
  • Bei der proktologischen Untersuchung werden Befunde nach dem Uhrzeit-System beschrieben. Das hat den Vorteil, dass Befunde bei Folgeuntersuchungen leichter verglichen/gefunden werden können.

GL Proktologie SSL

  • Man beginnt mit der Inspektion, dabei geht es um
    • Hautbeurteilung, Marisken, Perianalvenenthrombosen, Hämorrhoiden, Fissuren, Fisteln, Stuhlverschmutzung, klaffender Sphinkter, Prolaps, Pori, Tumor, Abszesse.
  • Anschliessend Palpation (wenn nicht durch Schmerzen verunmöglicht). Beurteilung von
    • Tumor, Prostata, Stuhl, Schmerzen, Sphinkter: Tonus, Grösse, Symmetrie, Lücke.
  • Der letzte Schritt ist ggfls. die Proktoskopie. Beurteilung von
    • Hämorrhoiden, Proktitis, Condylomata.

 

2. Hämorrhoidalleiden (1-4)

Definition

  • Oberhalb der Linea dentata, unter der Rektummukosa, findet sich das Corpus cavernosum recti, das eine wichtige Funktion bei der Feinkontinenz hat
  • Erst bei einer Hyperplasie des arteriovenösen Gefässkonglomerats spricht man von Hämorrhoiden
  • Hämorrhoiden können als solitäre, als multiple Knoten oder als zirkulärer Prolaps auftreten.

 Ätiologie

  • Weiterhin ungeklärt (13); beeinflussende Faktoren: Genetisch, ungünstiges Defäkationsverhalten (vor allem wohl lange Sitzungen, sowohl Obstipation als auch Diarrhö, starkes Pressen, ev. ungünstiger anorektaler Winkel). Hämorrhoidalbeschwerden verschlimmern sich häufig während einer Schwangerschaft und gehen nach Entbindung rasch spontan zurück.

Symptome

  • Die möglichen Beschwerden sind unspezifisch und hängen nicht vom Schweregrad der Hämorrhoiden ab. Im Zusammenhang mit Hämorrhoidalleiden werden (hellrote) Blutung, analer Gewebeprolaps, Nässen, Stuhlschmieren und Juckreiz beklagt. Schmerzen sprechen eher gegen Hämorrhoiden.

Merke

  • Hämorrhoiden bluten, jedoch selten!
  • Defäkationsschmerz weist eher auf eine Fissur hin
  • Eine schmerzhafte Schwellung am Anus ist meist eine Perianalvenenthrombose (s. u.).

Einteilung

GL Proktologie Hämorrhoidalleiden

Verlauf

  • Oft wechseln sich symptomatische und asymptomatische Episoden spontan ab
  • Besserung z. B. nach Entbindung, Optimierung der Stuhlgewohnheiten (Behandlung von Diarrhö oder Obstipation).

Abklärung und Differentialdiagnose

  • Anamnese
    • Akuität (plötzlich aufgetretene schmerzhafte Schwellung –> DD: Analthrombose)
    • Schmerz bei Defäkation (–> DD: Analfissur)
    • Aggravationsfaktoren (Diarrhö, Obstipation, lange Sitzungsdauer, Schwangerschaft, Reise)
    • Inkontinenz, Ausfluss (rezeptiver Analverkehr: DD Gonokokken-, Chlamydienproktitis; CED)
  • Proktologische Untersuchung (Inspektion, digital rektale Untersuchung, ggfls. Proktoskopie, ggfls. Inspektion der Analregion des hockenden und pressenden Patienten)
    • Marisken?
    • Ekzem?
    • Perianalthrombose?
    • Hämorrhoidalprolaps?
    • Analprolaps, Rektumprolaps? (Ggfls. Untersuchung des hockenden und pressenden Patienten)
    • Typischerweise dorsal gelegene Analfissur?
    • Sphinktertonus bei digital rektaler Untersuchung in Ruhe und beim Pressen, Kontinenz?
    • Koloskopie: Bei red flags in der Anamnese (Lebensalter, für Malignom oder chronisch entzündliche Darmerkrankung suspekte persönliche oder Familienanamnese, Unverhältnismässigkeit von Symptomen und Befunden).

 Therapie

  • Richtet sich nach dem Leidensdruck und dem Grad des Hämorrhoidalleidens; persistieren/rezidivieren die Beschwerden, sollte eine Koloproktoskopie durchgeführt werden, um eine definitive Diagnostik nicht zu verschleppen und eine Neoplasie auszuschliessen
  • Wichtigste Massnahme ist die Stuhlregulation. Wichtig ist, das zulange Sitzen und Pressen mit Belastung von Beckenboden und Analkanal durch Obstipation oder Diarrhö zu vermeiden. Bei zu weichem/inkonsistentem Stuhl wird die Analregion durch dauernde Stuhlpassage, wiederholte Reinigungen, Feuchtigkeit irritiert. Deshalb Modulation der Stuhlkonsistenz und -frequenz in die jeweilige Richtung
    • Obstipation: Ballaststoffe, Trockenobst, Mucilar®, Movicol®
    • Diarrhö: Banane, Leinsamen, Mucilar®; DD wie Laktoseintoleranz, Fruktoseüberkonsum (Früchte, Säfte, Smothies, Zuckerersatzstoffe), chronisch entzündliche Darmerkrankung (CED) bedenken.
  • Auch höhergradige Hämorrhoiden können a- oder oligosymptomatisch sein, so dass nicht auf eine interventionelle Behandlung gedrängt werden muss.

Grad I

  • Wichtigste Massnahme = obige Basismassnahmen
  • Kurzfristig können gelegentlich Suppositorien entzündliche Symptome lindern
    • Scheriproct®, Faktu® (auch in der Schwangerschaft nicht kontraindiziert).
  • Für perorale Venentonika wie Daflon® ist die Wirksamkeitsnachweis nicht überzeugend (1, 4).

Grad II

  • Gummibandligatur: Therapie der Wahl, falls konservative Massnahmen nicht ausreichen und Hämorrhoiden nicht zirkulär; längerfristig chirurgischen Verfahren unterlegen!
    • Nur 1–2 Ligaturen pro Sitzung applizieren (um im Falle von Komplikationen die Übersicht nicht zu verlieren)
    • Wiederholung nach 3–4 Wochen
    • Erfolgsrate nach 3–5 Jahren: 70–80 %, Rezidivrate: < 25 %
    • UEW: Gelegentlich Schmerzen, Blutungen in den ersten Tagen nach der Behandlung
    • Kontraindikationen: M. Crohn, HIV, OAK.
  • Sklerosierung (der Hämorrhoiden oder zuführender Hämorrhoidalarterien), Infrarotkoagulation sind alternative Verfahren
  • Chirurgische Hämorrhoidektomie kommt meist erst ab Stadium III zum Einsatz.

Grad III

  • Chirurgische Therapieverfahren zeigen beste Langzeiterfolge und akzeptable Komplikationsraten 5–10 %
    • Segmentärer Hämorrhoidalvorfall: Hämorrhoidektomie (nach Milligan-Morgan und Ferguson)
    • Zirkuläre Hämorrhoiden: Stapler-Hämorrhoidopexie (nach Longo). Vorteil: Hinterlässt keine Wunde im Anoderm, weniger Schmerzen. Rezidive bei 1–3 % (7).

Grad IV

  • Bei akuter Thrombosierung oder Inkarzeration (beides sehr selten!) reicht meist lokale konservative Therapie mit Antiphlogistika und Analgetika (komplette Restitutio i. d. R. innert wenigen Wochen)
  • Ist die inkarzerierte Hämorrhoide sehr schmerzhaft, kann unverzüglich in Lokalanästhesie oder Allgemeinnarkose reponiert werden. Die operative Entfernung des Hämorrhoidalgewebes sollte im akuten Zustand möglichst vermieden werden
  • DD: Ödematöse Mariske, partieller Schleimhautprolaps, Perianalvenenthrombose.

Hämorrhoidalleiden während der Schwangerschaft

  • Kann teilweise sehr ausgeprägt sein
  • Eine chirurgische Behandlung ist jedoch kontraindiziert und der spontane Verlauf nach der Entbindung sollte unbedingt abgewartet werden, da die meisten Beschwerden wieder verschwinden!
  • Die Patientinnen müssen entsprechend aufgeklärt und lindernde Massnahmen getroffen werden (Suppositorien, Stuhlregulation, s. o.).

GL Proktologie Abb 1

Abb. 1: Dorsaler Mukosaprolaps

 

3. Marisken

Ätiologie/Bedeutung

  • Perianale Hautfalten unterschiedlicher Grössenausprägung; Ätiologie unklar, peripartal oder nach Rückbildung einer Analvenenthrombose. Können auch im Rahmen chronischer Fissuren als Wächtermarisken auftreten
  • Keine krankhafte Bedeutung, können aber im Falle grösserer Ausprägung bei der Analhygiene störend sein und manche Patienten „kosmetisch stören“
  • Bei normalem Stuhlverhalten meist asymptomatisch, gelegentlich irritiert (mechanisch/chemisch) durch häufige Reinigung oder Kontaktallergie z. B. durch Hygienetücher.

Therapie

  • Bei entsprechender Grösse und Beschwerden chirurgische Resektion möglich.

GL Proktologie Abb 2

Abb. 2: Marisken

 

4. Perianalthrombose

Ätiologie

  • Entsteht durch einen Thrombus in den äusseren perianalen Gefässen (Pl. haemorrhoidales ext.); neben dem spontanen Auftreten werden „Stressoren“ wie langes Sitzen, Alkoholkonsum, Pressen, Diarrhö-Episoden vermutet
  • Der frühere Begriff „äussere Hämorrhoiden“ ist nicht mehr gebräuchlich!

 Symptome

  • Unvermittelt auftretendes teils sehr starkes Druck- und Spannungsgefühl und Bildung eines schmerzhaften bläulich-lividen Knotens am Analrand; eine frische Thrombose blutet nicht, ausser im Falle einer (meist nur in den ersten Tagen auftretenden) spontanen Perforation.

 Verlauf

  • Meist komplette Rückbildung ohne Therapie innert Tagen bis Wochen.

 Therapie

  • Bei livider, prallelastischer Schwellung in den ersten 1–2 d ist nach radiärer Lokalanästhesie eine Entlastung durch Stichinzision möglich, aber kein Muss. Der Vorteil kann eine raschere Schmerzlinderung sein, um den Preis des Schmerzes beim Eingriff und möglicher Komplikationen (fehlende Entlastung bei gekammerter Thrombose, Blutungsrisiko). In den allermeisten Fällen (u. a. da die Patienten erst nach einigen Tagen vorstellig werden und die Spontanprognose gut ist) reicht eine konservative Therapie: systemische NSAR (für wenige Tage), ggfls. Xylocain® Gel 2 %, ev. Sulgan®/Bepanthen® Salbe und Stuhlmodulation.

GL Proktologie Abb 3–5

Abb 3–5: Perianalthrombose, Perforierte Perianalthrombose, Analthrombose/Mariskenödem (von links nach rechts)

 

5. Analfissur (8–11)

Ätiologie

  • Weitgehend unklar; Obstipation oder auch Diarrhö mit „explosionsartiger“ Öffnung des Analkanals können zu einem Einreissen der Haut im Analkanal führen
  • Die Läsion liegt fast immer bei 6 h SSL (andernfalls an CED und STD denken)
  • Bei chronischer Fissur entsteht dorsal eine charakteristische „Wächter“-Mariske/Vorpostenfalte.

Symptome

  • Akute Fissur: Teilweise sehr heftiger, schneidender Schmerz bei Defäkation und darüber hinaus anhaltend; Blutung. Die Anamnese ist typisch und daher wegweisend!
  • Chronische Fissur: Oft symptomarm, rezidivierende Blutungen.

Diagnose

  • Inspektion, vorsichtiges beidhändiges Spreizen der Nates; praktisch immer bei 6 h oft in der Tiefe gelegen und nur bei guter Beleuchtung zu sehen
  • Akute Fissur: Hochdolent, digitale Untersuchung dann meist nicht möglich, Proktoskopie erst recht nicht. Bei starken Schmerzen und typischer Anamnese kann initial auf eine digitale Untersuchung und Proktoskopie verzichtet werden
  • Chronische Fissur: Blasse, teilweise erstaunlich breite Narbe, oft mit Vorpostenfalte (sogenannte Wächtermariske), kann völlig indolent sein.

Therapie

  • Schmerztherapie (z. B. NSAR in der Akutphase, topisches Xylocain® Gel vor sonst schmerzhafter Defäkation)
  • Stuhlregulation (Ziel: „Weiche Konsistenz, Frequenz nicht zu oft und nicht zu selten“)
  • Topische Therapie: Behandlungsdauer oft einige Wochen
    • Rectogesic®: 3 x/d auf Fissur und Sphinkter; Vorteil: In meisten Apotheken vorrätig; Nachteil: Nitro-bedingte Kopfschmerzen kurz nach Anwendung
    • Magistralrezeptur mit Nifedipin 0,5 % in Excipial Creme und 1 % Lidocain (CHF 33.65). Macht keine Kopfschmerzen. Häufig nicht vorrätig und muss erst fabriziert werden.
  • Bei Therapieversagen (fehlende Besserung nach > 4–8 Wochen) Vorstellung beim Proktochirurgen zur Fissurexzision
  • Die Therapie mit Botox ist umstritten und in Studien bezüglich Erfolgsraten verglichen mit der konservativen Therapie nicht eindeutig überlegen. Häufig fallen jedoch nach einer Botoxinjektion für den Patienten nicht unerhebliche Kosten an!

Prognose

  • Salbenbehandlung: Etwa jeder zweite erleidet Rezidive
  • Chirurgische Exzision: Erfolgsrate 80–90 % nach Fissurexzision
  • Der Erfolg der konservativen Therapie hängt von einer konsequenten Stuhlregulation ab.

Differentialdiagnose

  • Von Schmerzintensität her, z. B. perianaler Abszess, selten Malignome.

GL Proktologie Abb 6 

 Abb. 6: Analfissur

 

6. Perianaler Abszess (12)

Ätiologie

  • Der Abszess ist die Akutform und die Fistel die chronische Verlaufsform einer von den Proktodealdrüsen ausgehenden Entzündung. Weniger häufig, aber klinisch zunächst nicht auszuschliessen, kann ein M. Crohn die Ursache sein. Daher muss bei häufigen Rezidiven eine erweiterte Diagnostik in Erwägung gezogen werden (s. u.).

Symptome

  • Innert Tagen auftretende perianale Schmerzen, oft auch perianale Rötung und Überwärmung.

Abklärung

  • Anamnese: Kann rezidivieren, d. h. „früher schon mal gehabt“, anamnestische Anhaltspunkte für M. Crohn?
  • Untersuchung: Oft Blickdiagnose (Rötung, Schwellung, Schmerz), aber bei frühen Stadien oder intersphinktärer Lage teilweise noch unauffälliger Inspektionsbefund; deshalb „dran denken“, ggfls. kurzfristige Reevaluation
  • Sonographie (perianal, Endosonographie), Becken-MRI (insb. bei Verdacht auf komplizierte Fistelverläufe).

Differentialdiagnosen

  • Acne inversa, perianale Haarfollikelentzündungen (ohne Verbindung zum Analkanal), chronisch entzündliche Darmerkrankung Typ M. Crohn, infizierter Sinus pilonidalis.

Therapie

Analabszesse bedürfen immer einer chirurgischen Entlastung („ubi pus, ibi evacua“).

 

7. Analekzem (1, 8)

Symptome

  • Je nach Akuität Erythem, Papeln, Seropapeln, Bläschen, Erosionen, Lichenifikation.

Ursachen

  • Irritativ-toxisch: Durch Störung der Feinkontinenz, häufige Reinigung (bei hoher Stuhlfrequenz), bei chronisch entzündlicher Darmerkrankung, proktologischer Erkrankung (Hämorrhoiden, Fisteln, Feigwarzen, Marisken), übertriebener Analhygiene
  • Infektiös: Windelekzem, Staphylokokken, Streptokokken, Candida, Oxyuren
  • Allergisch: Bis zur Sensibilisierung können Jahre vergehen, dann kann ein Kontaktekzem auf Inhaltsstoffe von Hautpflegemitteln, Intimsprays, Proktologika sowie feuchtem oder trockenem Toilettenpapier auftreten.
  • Andere dermatologische Erkrankungen
    • Psoriasis in der Rima ani
    • Neurodermitis, Condylomata accuminata, Lichen ruber, M. Paget, M. Bowen, Infektionen (Chlamydien, Gonokokken)
    • Neoplasien des Anoderms, insb. Analkarzinom (z. B. bei MSM mit HPV-Infekt, HIV)
    • DD Vitiligo.

Diagnostik

  • Anamnese (Stuhlfrequenz, -konsistenz, Inkontinenz, Externa?), Untersuchung
  • Mikrobiologie
    • Hautabstrich bei längerem Verlauf: DD Standortflora oder Infekt? (Staph/Strept; Candida; STD)
    • Bei V. a. Oxyuren (Kontakt mit Kleinkindern) morgendliches Abklatschpräparat (durchsichtiger Klebestreifen auf Objektträger)
  • Bei Persistenz auch an histologische Abklärung denken.

Therapie

  • Optimierung der Analhygiene
    • Normalisierung der Stuhlfrequenz und -konsistenz
    • Reinigung mit weichem WC-Papier ohne Zusatzstoffe
    • Wasser (Dusche, Dusch-WC)
    • Externa meiden (z. B. in Feuchttüchern, Seifen, Salben).
  • Behandlung der Grundkrankheit (s. o.)
    • Ohne Infekt: Ggfls. für wenige Tage topische Steroide (Advantan®, Alfacorton®)
    • Mit Infekt: Je nach Erregergruppe (Fucidin/Fucicort®, Mycolog® Creme).
  • Später Excipial®/Optiderm®/Bepanthen® und im Bedarfsfall Cold Cream zur Linderung des Juckreizes
  • Zum Oberflächenschutz bei Diarrhö: Bepanthen® Salbe, Zinkpaste (Oxyplastin® Wundpaste).

GL Proktologie Abb 7

Abb. 7: Perianalekzem

 

8. Pruritus ani

Symptome

  • Perianaler Juckreiz.

Ursache

  • Reaktionsform „gestresster“ perianaler Haut auf zahlreiche Einflüsse: Zu häufiger Stuhlgang, zu viel Reinigung (irritiativ oder Austrocknung), zu viel Externa.

Diagnose

  • Anamnese der Risikofaktoren
  • DD ausschliessen (Analekzem, Infekt, Inkontinenz)
  • Bei V. a. Oxyuren (Kontakt mit Kleinkindern) morgendliches Abklatschpräparat (durchsichtiger Klebestreifen auf Objektträger).

Therapie

  • Ggfls. ursächliche Behandlung bei Infekt (antiinfektiös), Stuhlkonsistenz, -frequenz (Leinsamen, Antidiarrhoika, Stuhlmodulation), Mikroinkontinenz (Hämorrhoidenbehandlung)
  • Information für Patienten: „Weniger ist oft mehr“
    • Wichtig: KEIN Papier an den Po!
    • Dusch WC (Kosten ca 1000.- ) oder Dusch-Deckel (Kaltwasseranschluss ca CHF 100.-, Warmwasser ca CHF 300.-) installieren
    • Stuhltraining, damit Patient*in immer zu Hause stuhlen kann (wenn man nicht unterwegs waschen will)
    • Trockentupfen mit Baumwolltuch (oder vorsichtig und nicht zu heiss Föhn verwenden), nicht reiben
    • Bei Juckreiz nicht kratzen – stattdessen kräftig drücken oder schlagen (Schmerz unterdrückt Juckeiz)
    • Für die Nacht allenfalls Baumwollhandschuhe anziehen, damit man nicht kratzen kann; kurze Nägel schneiden
    • Kühlen mit Coldpacks mit Stoffbezug

Wenn o.g. Massnahmen nicht helfen:

  • Dermovate® Salbe für 3 Wochen; bei ausbleibender Wirkung –> Gabapentin.

Hinweis: Kein Capsaicin wie an anderen Lokalisationen, da es anal zu unangenehm ist.

 

9. Proctalgia fugax

Symptome

  • Plötzlich auftretende, heftige, ziehende oder stechend-schneidende Schmerzen im Bereich des Anus. Die Schmerzattacke dauert oft nur einen kurzen Moment und zwischen den einzelnen und seltenen Episoden sind die Patienten völlig beschwerdefrei. Frauen sind häufiger betroffen als Männer
  • Die Proctalgia fugax kehrt in unregelmässigen Intervallen von Wochen oder Monaten wieder.

Ätiopathogenese

  • Unklar; als Auslöser werden Spasmen der Sphinkter, der Muskulatur des Beckenbodens oder im Bereich des rektosigmoidalen Übergangs diskutiert.

Diagnose

  • Ergibt sich aus der Anamnese
  • DD ausschliessen (Hämorrhoidalleiden, CED, Abszess, Kokzygodynie?).

Therapie

  • Information und Reassurance des Patienten
  • Aufgrund der Kürze und der geringen Frequenz der Episoden kommen medikamentöse Therapieversuche (Nifedipin Salbe, Ventolin® Inhalation) jeweils „zu spät“.

 

10. Sexuell übertragbare Krankheiten (STD)

Symptome

  • Analer Juckreiz, diffuses anales Unwohlsein, rektaler Ausfluss, Diarrhö, Warzen können Symptome von STD mit Manifestation im Rektum, endoanal oder perianal sein
  • Rezeptiver Analverkehr, ungeschützter GV, Anzahl der Sexualpartner, sexuelle Präferenzen sind Hinweise auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine STI.

Diagnostik

  • „Dran denken“, explizite Anamnese, Risikoverhalten?
  • Inspektion: Condylomata accuminata?
  • Abstrich für PCR auf Chlamydien und Gonokokken, bei Nachweis eines Ulkus (DD: Fissur) auch auf Lues, bei Bläschen z. B. auf Herpes
  • Falls eine STD nachgewiesenwird, müssen auch die anderen STD gesucht, ausgeschlossen oder behandelt werden (mediX GL STI); Partnerbehandlung.

Therapie

  • Chlamydien-Proktitis wird – anders als die Chlamydien-Urethritis – nicht mit einer Azithromycin-Monodosis, sondern mit Doxycyclin 2 x 100 mg über 7 (bzw. bei LGV über 21) Tage behandelt
  • Gonokokken-Proktitis: Ceftriaxon 500 mg einmalig i.m. plus Azithromycin 1 g einmalig p.o.
  • Siehe auch mediX GL STI.

 

11. Bösartige Veränderungen

Ätiopathogenese

  • Man unterscheidet anale/perianale intraepitheliale Neoplasie (AIN; früher auch M. Bowen, bowenoide Papulose) und Analkarzinom
  • Hohes Risiko bei Immunsuppression nach Transplantation oder Infektion mit HPV/HIV.

Symptome

  • Unspezifisch, deshalb werden initial 50 % der Analkarzinome als gutartige Haut- oder Schleimhautveränderungen fehldiagnostiziert.

Diagnostik

  • Dran denken, insbesondere bei Patienten aus den Risikokollektiven
  • Mittels Färbung, bioptisch, anales Mapping durch den Proktologen (= kleine Stanzbiopsien, welche meist zirkulär entnommen werden im „Uhrzeit-System“), bildgebend.

GL Proktologie Abb 8
Abb. 8: Anale Neoplasie

 

12. Literatur

  1. Aigner F. Haunold I, Salat A: Stadiengerechte Therapie des Hämorrhoidalleidens. Coloproctology 2013; 35(4): 281–94.
  2. Joos AK, Herold A: Hämorrhoidalleiden. Neue konservative und operative Therapien für ein weit verbreitetes Leiden. Coloproctology 2011; 33(2): 86–96.
  3. Acheson Austin G, Scholefield JH: Management of haemorrhoids, Brit med J 2008; 336: 380–383.
  4. Chautemsa R, et al.: Pathologie hémorroïdaire: approche diagnostique et thérapeutique à l’usage du praticien. Schweiz Med Forum 2005;5:869–874.
  5. Strittmatter B: Proktologie für Frauenärzte. GynakolGeburtsmedGynakolEndokrinol 2013; 9(3): 158–177.
  6. Herold A, et al.: Operationen beim Hämorrhoidalleiden Indikation und Technik. Chirurg 2012 · 83:1040–1048.
  7. Ommer A, et al.: Long-term results after stapled hemorrhoidopexy: a prospective study with a 6-year follow-up. Dis Colon Rectum 2011; 54(5): 601–8.
  8. Geyer M, Bimmler D: Wenn es beim Stuhlgang schmerzt: Analfissur praktisch. Schweiz Med Forum 2013;13(38):752–755.
  9. Satish SC: Dyssynergic defecation & Biofeedback therapy. GastroenterolClin North Am. 2008;37(3):569–86.
  10. Nelson RL, et al.: Non surgical therapy for anal fissure. Cochrane Database Syst Rev 2012; 2: CD003431.
  11. Nelson R: Operative procedures for fissure in ano. Chochrane Database Syst Rev. Cochrane Database Syst Rev. 2002;1:CD002199.
  12. Ommer A, et al.: S3-Leitlinie: Analabszess. Coloproctology 2016;38:378–398.
  13. Sandler RS, Peery AF: Rethinking what we know about hemorrhoids. Clinical Gastroenterology and Hepatology 2019;17:8–15.

Für Patienten: Informationen der Magen-Darm-Liga: Analhygiene unter http://www.gastromed.ch.

 

13. Impressum

Diese Guideline wurde im April 2019 aktualisiert.  
© Verein mediX

Herausgeber
Dr. med. Felix Huber

Redaktion (verantwortlich)
Dr. med. Uwe Beise

Autoren
Dr. med. Markus Fliegner
Dr. med. Hella Scotland
Dr. med. Felix Huber
Dr. med. Uwe Beise

Rückmeldungen bitte an: uwe.beise_at_medix.ch

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