Guideline Kurzversion

Sexuell übertragbare Infektionen (STI)

Erstellt von: Dr. med. U. Beise Letzte Änderung: 11/2025

Allgemeines

  • Alle Partner der letzten 60 Tage vor Infektion sollen informiert, getestet und behandelt werden
  • Alle Patienten mit einer diagnostizierten STI und deren Partner auch auf die anderen STI testen, also immer Gonorrhö, Chlamydien, Lues, HIV, ggfls. Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Virus
  • Pharyngeale und rektale Infektionen verlaufen in > 90 % asymptomatisch
  • Anzustreben ist eine gezielte antibiotische Therapie nach einer klaren Diagnosestellung
  • Cave: Antibiotikaresistenzen bei Gonokokken (und M. genitalium)
    • Deutliche Zunahme von Cephalosporin-Resistenz bei Gonokokken
    • Bei Gonorrhö keine routinemässige Kombination von Ceftriaxon plus Azithromycin verordnen!
    • Behandlungserfolg kontrollieren bei Rezidivtherapie
    • Kultur (mit Resistenzprüfung) bei Rezidiv oder schlechtem Ansprechen (> 2 d)
  • Eine Meldepflicht besteht für: Neisseria gonorrhoeae, Treponema pallidum, Chlamydia trachomatis, Hepatitis A, B, C Viren sowie HIV/Aids. Die Erstmeldung erfolgt bei allen Krankheiten durchs Labor
  • Meldeformulare unter: BAG Meldeformulare

Screening auf STI

Infektion

Indikation für Screening

Auf Wunsch oder bei STI-Risiken immer indiziert

HIV

  • STI-Risikosituation
  • Diagnose einer anderen STI
  • Pathologische Laborbefunde

Treponema pallidum (Syphilis)

  • STI-Risikosituation
  • Diagnose einer anderen STI
  • Schwangere Frauen
  •  MSM
  • Sexarbeiter/innen
  • Menschen mit mehreren Sexualpartnern
  • Menschen mit HIV
  • Therapie (ohne Diagnostik) nach Kontakt mit Partner/in mit Infektion

Keine Empfehlung in der Schweiz für generelles Screening asymptomatischer Personen

Neisseria gonorrhoeae

  • Routinemässiges Screening asymptomatischer Personen wird zunehmend hinterfragt
  • Screening auf Wunsch und nach ärztlicher Beratung erwägen bei Personen mit STI-Risiken

Chlamydia trachomatis

  • Routinemässiges Screening asymptomatischer Personen wird zunehmend hinterfragt
  • Screening auf Wunsch und nach ärztlicher Beratung erwägen bei Personen mit STI-Risiken

Screening bzw. Diagnostik nur in speziellen Situationen indiziert

Chlamydia Serovar L1–3 (LGV, Lymphogranuloma venereum)

Kein Screening asymptomatischer Personen

  • Suche nur bei positiver Chlamydien-PCR bei MSM

Hepatitis B Virus

  • Nicht geimpft + Risikosituation
  • Herkunft aus Endemiegebiet + unklarer Impfstatus
  • Erhöhte Transaminasen (bei ungeimpfter Person)

Hepatitis C Virus

  • Herkunft aus Endemiegebiet
  • Erhöhte Transaminasen
  • Risikosituation bei MSM
  • Bluttransfusionen vor 1992
  • Früherer oder aktiver intravenöser Drogengebrauch
  • Frühere medizinische Eingriffe in Ländern mit schlechter Hygiene

Trichomonas vaginalis

Kein Screening asymptomatischer Personen

  • Suche nur bei symptomatischen Personen und nur nach Ausschluss anderer Pathogene

Kein Screening asymptomatischer Personen. Diagnostik nur bei passender Klinik erwägen

Herpes genitalis

Kein Screening: Weder Abstriche noch Serologie bei asymptomatischen Personen indiziert

Mycoplasma genitalium

Kein Screening asymptomatischer Personen

  • Mögliche Relevanz bei symptomatischen Personen

Screening nie indiziert

Mycoplasma hominis

Ureaplasma parvum

Nie Screening, auch nicht bei Symptomen

  • Die Erreger sind immer apathogen

Ureaplasma urealyticum

Nie Screening asymptomatischer Personen

  • Die Erreger sind mit wenigen Ausnahmen apathogen
  • Mögliche Relevanz bei symptomatischen Personen

Screening asymptomatischer Personen nie indiziert. Diagnostik ausschliesslich bei symptomatischen Personen, falls obige Abklärungen negativ, bei passender Klinik oder bei epidemiologischem Verdacht

Weitere Pathogene

  • Ulcus molle/weicher Schanker, durch Haemophilus ducreyi; Inkubationszeit 10–14 d
  • Granuloma inguinale (Donovanose) durch Klebsiella granulomatis (früher: Calymmatobacterium granulomatis); Inkubationszeit ca. 50 d
  • M Pox (Human Monkeypox Virus), Inkubationszeit durchschnittlich 7 (5–21) d

Symptome, Abklärung und Therapie

Leitsymptom(e)

Differentialdiagnose

Asymptomatisch

Alle sexuell übertragbaren Infektionen können asymptomatisch verlaufen, aber ansteckend sein
1) Entweder primär asymptomatisch (häufig: Zervizitis durch Gonorrhö, Chlamydien, auch häufig asymptomatisch beim Mann); oder
2) Nach spontan verschwundener erster klinischer Manifestation asymptomatisch werden (latente Syphilis)

Genitale Läsionen

Siehe folgenden Abschnitt –> STI: Diagnostik und Therapie

Epididymitis, Orchitis

  • Gonorrhö und Chlamydien-Infektion, andere nicht sexuell übertragene Bakterien

Lymphadenopathie, inguinal

  • Syphilis (indolent)
  • HIV-Infektion
  • Lymphogranuloma venereum (schmerzhaft)
  • Ulcus molle (oder weicher
  • Schanker, Englisch
  • Chancroid) (schmerzhaft)
  • Granuloma inguinale (Donovanose) (schmerzhaft)
  • Gonorrhö macht praktisch nie eine Lymphadenopathie

Lymphadenopathie, systemisch

  • Syphilis
  • HIV-Infektion

Haut: Pruritus und/oder Exanthem in der Regio pubica

  • Herpes genitalis
  • Scabies
  • Pediculose (Filzlaus, Pthirus pubis)
  • Trichophyton interdigitale (früher: Trichophyton mentagrophytes)

Haut: Generalisiertes Exanthem

  • Syphilis Stadium II
  • Akute HIV-Infektion
  • Arthritis-Dermatitis
  • Syndrom: Gonorrhö mit Bakteriämie

Haare

  • Alopezie mit Mottenfrass-artigem Muster: Syphilis

Fieber, Allgemeinsymptome

  • Akute HIV-Infektion
  • Syphilis II
  • Arthritis-Dermatitis
  • Syndrom: Gonorrhoe mit Bakteriämie; selten Endokarditis

Pharyngitis, Tonsillitis

  • Syphilis I (oft einseitig vergrösserte Tonsille, belegt)
  • Gonorrhö (oft einseitig vergrösserte Tonsille, belegt)
  • Akute HIV-Infektion: Aphthen

Proktitis

  • Herpes genitalis
  • Gonorrhö
  • Chlamydien-Infektion
  • Lymphogranuloma venereum suchen bei symptomatischen MSM mit positiver C. trachomatis PCR

Diarrhö

  • Akute und chronische HIV-Infektion

Abdominalschmerzen

  • Oberbauch: Perihepatitis durch Gonorrhö, Chlamydieninfektion
  • Unterbauch: Pelvic Inflammatory Disease (PID) durch STI

Hepatitis, (Ikterus)

  • Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Virusinfektion

Perihepatitis

  • Gonorrhö, Chlamydien-Infektion

Arthritis

  • Monoarthritis, Polyarthritis, Tenosynovitis: Gonorrhö
  • Monarthritis: Syphilis
  • Arthritis-Dermatitis
  • Syndrom: Gonorrhö mit Bakteriämie
  • Sexuell akquirierte reaktive Arthritis (SARA):
  • Chlamydien-Infektion
  • ev. Gonorrhö

Neurologische Störungen, Seh-, Hörstörungen

  • Akute HIV-Infektion: Meningitis, Neuritis
  • Syphilis II: Neuritis Hirnnerv VIII (Gehör, Gleichgewicht) oder N. opticus (wie Neurosyphilis behandeln!)
  • Neurosyphilis III: Basale Meningitis; Tabes dorsalis, fokale Symptome (Gumma)

Algorithmus

Leitsymptome, genital

Ausfluss, Dysurie

Bläschen

Ulkus: Genitale/Zervix

Vermutete Diagnose

Gonorrhö (GO)

Chlamydien Infektion

Herpes genitalis

Syphilis

Symptome

Oft asymptomatisch; Urethritis, Proktitis*, Pharyngitis, Epididymitis (♂), Zervizitis (♀), systemische Manifestationen siehe Tab. 1

Eine akute Erst-Infektion kann zu einem fieberhaften Krankheitsbild mit Allgemein­symptomen, Malaise und Kopfschmerzen führen

Genital, oral, anal:
Weissliche, flache Papeln (auch multiple). Ulkus indolent, harter Rand: Regionäre Lymphknoten

Diagnostik

PCR GO und C. trachomatis
♂: Erststrahlurin nach mind. 1-stündiger Karenz oder Morgenurin
♀: Vaginalabstrich
Ggfls. Anal-, Rachenabstrich

Lymphogranumoma venereum (LGV): Bei symptomatischen MSM mit positiver Chlamydien PCR auch LVG suchen mittels PCR für C. trachomatis Serovare L1-3/2b aus anorektalem Abstrich oder Urin, je nach Klinik; ggfls. Lymphknoten-Biopsie

Klinische Diagnose oder PCR aus Abstrich von Bläschen (falsch negative Ergebnisse häufig). Keine Serologie

Akute Infektion: PCR aus Abstrich des Ulkus

Spätere Phasen: Serologie (TPPA oder T. pallidum IgG; VDRL/RPR)

Differential-diagnose

Wenn GO, Chlamydien negativ
Suche nach Trichomonas
Falls auch dies negativ und Patient/in symptomatisch: Suche nach Mycoplasma genitalium

Balanitis (bakteriell oder Candida).

Ulzera bei Syphilis sind i. d. R. grossflächiger

H. genitalis; Lympho­granu­loma venereum; Ulcus molle (weicher Schanker) Granuloma inguinale (alle mit schmerzhaften Ulzera)

Erweiterte Diagnostik

Die Diagnose jeglicher STI heisst, dass auf andere STI gescreent wird: Gonorrhö, Chlamydien, Syphilis, HIV-Infektion. Je nach Situation wie Impfstatus, Herkunft, Risiken (MSM) ggfls. auch Hepatitis-B-, C-Virus

Empirische Therapie

Nur bei klarer klinischer Diagnose und hohem Leidensdruck:
Ceftriaxon 1 g i.m. einmalig und Doxycyclin 2 x 100 mg h für 7 d

Bei akuter Erstinfektion immer, ideal innert 72 h; oder bei anhaltendem Auftreten von neuen Läsionen
Bei Rezidiven Therapie bei typischer Klinik und schwerer Symptomatik

Erstinfektion: Valaciclovir (VACV) 2 x 1‘000 mg für 5–10 d, oder Famciclovir (FACV) 3 x 250 mg für 5–10 d

Rezidiv: VACV 2 x 500 mg für 3–5 d, oder FACV 2 x 125 mg für 5 d. Alternativ: Selbstmedi­kation bei ersten Symptomen: FACV oder VACV 1’000 mg, in 2 Dosen im Abstand von 12 h

Nein

Gezielte Therapie

Ceftriaxon 1 g i.m. oder i.v. einmalig

Doxycyclin 2 x 100 mg für 7 d

 

Je nach Stadium Benzathin-Penicillin i.m. oder hochdosiertes Penicillin i.v.

LGV
Doxycyclin 2 x 100 mg für 21 d

Trichomonas
Metronidazol 2 g einmal

Test of Cure

Gonorrhö: Nur bei Pharyngitis, PCR nach 14 d
Chlamydien: Nur bei Symptom­persistenz, Schwangerschaft, PID, LGV

Keine Laborkontrolle
Klinisches Follow-up

Negativierung VDRL/RPR

Therapie-versagen

Resistenz?

Fachärztliche Konsultation

LGV suchen

Rezidive häufig; falls Läsionen innerhalb 10 d nicht heilen: Resistenz erwägen und/oder fachärztliche Konsultation

Prophylaxe bei > 6 Rezidiven/J. während 6 Monaten: VACV 1 x 500 mg oder Aciclovir 2 x 400 mg
oder FAMV 2 x 250 mg

Fachärztliche Konsultation

Nach-betreuung

Bei Therapieansprechen aus mikrobiologischer Sicht nicht nötig, aber aus präventivmedizinischer Sicht sinnvoll

 

6 und 12 Monate VDRL/RPR

Behandlung Partner

Partnerinformation/Behandlung

Nur wenn symptomatisch

Nur nach serologischer Diagnose