Definition und Ursachen
Strukturelle oder funktionelle Nierenstörung > 3 Monate mit mindestens einem der folgenden Kriterien (nach KDIGO*-Guideline, 2012)
- eGFR < 60 ml/min/1,73 m2
- Albuminurie > 30 mg/d
- Pathologisches Urinsediment
- Elektrolyt- und andere Abnormitäten (z. B. Glukosurie) als Hinweis auf eine tubuläre Störung
- Strukturelle Abnormitäten in einer Bildgebung (z. B. Einnierigkeit, Polyzystische Niere, Schrumpfniere, Hydronephrose)
- St. n. Nierentransplantation
* „Kidney Disease – Improving Global Outcomes“ (KDIGO)-Guideline
- Diabetes (20 %)
- Hypertonie (20 %)
- Glomerulonephritis (15 %)
- Polyzystische Nierenerkrankungen (7 %)
- Interstitielle Nephritis (2 %)
- Andere: Nephrolithiasis, vesikoureteraler Reflux, Amyloidose etc. (35 %)
Anamnese und körperliche Untersuchung
- Grunderkrankungen: Diabetes mellitus, Hypertonie, Adipositas, fam. Nierenerkrankungen wie Zystennieren, Autoimmunerkrankung
- Akute Infektion
- Risikofaktoren: Fam. Erkrankung, Nikotin, Kokain
- Medikamente: Lithium, NSAR, PPI, Chinesische Kräuter, OAK, Bisphosphonate, Calcineurin-Inhibitoren
- Symptome: Müdigkeit, Leistungsintoleranz, Inappetenz, Gewichtsverlust, Nykturie als Frühsymptom, Juckreiz, Makrohämaturie, Übelkeit (urämische Symptome treten sehr spät auf)
- Blutdruck, Ödeme, Adipositas?
Hinweise
- Rasch auftretende Anasarka und pathologische Urinfarbe sprechen für einen akuten Prozess
- Rasche AZ-Verschlechterung ist charakteristisch für eine akute Niereninsuffizienz
Technische Untersuchungen
- Kreatinin: Als Screening-Test für eine CKD nur in Kombination mit Berechnung der GFR aussagekräftig
- Geschätzte Glomeruläre Filtrationsrate (eGFR)
- Zur Berechnung der eGFR wird die Formel CKD-EPI verwendet
Interpretation/Vorgehen
- Bei akuter Niereninsuffizienz verzögerter Anstieg von Krea erst nach 2–3 Tagen
- Eine chronische Niereninsuffizienz ist definiert durch eine stabile Serumkreatinin-Erhöhung mit einer eGFR < 60ml/min während einer Zeitperiode von mehr als 3 Monaten. Cave: Bei hohem Alter Gefahr der Überdiagnostik und bei jungem Alter Gefahr der Unterdiagnostik
Erweitertes Labor bei Erstdiagnose
- Blutbild
- BZ, HbA1c, CRP, GOT, GPT, Alk. Phosphatase
- Elektrolyte: Kalium, Natrium, Calcium, Phosphat. Magnesium nicht zwingend bei Erstdiagnose
- Serum-Bicarbonat
- Urin-Stick (Protein-Screening im Papierstreifen-Test)
- Als orientierender Test brauchbar –> Wenn positiv immer Urin-Albumin-Kreatinin-Ratio bestimmen und ein Urinsediment anfordern (ausser bei HWI, diesen behandeln und Neubestimmung)
- Urin-Albumin/Kreatinin-Quotient (UACR)
- Albuminurie ist ein sensitiver Parameter zur Diagnostik und dient als Verlaufsparameter
- Albuminausscheidung kann erhöht sein bei Harnwegsinfekt, akuter febriler Erkrankung, erheblicher körperlicher Belastung in den letzten 24 h, Medikamenten (v. a. NSAR)
- Über den UACR kann die Albumin-Ausscheidung über 24 h hinreichend genau geschätzt werden, sodass eine aufwändige 24-Std-Urinsammlung im ambulanten Bereich nicht mehr empfohlen wird (Cave: Stark verdünnter Urin mit Gefahr der Unterschätzung)
- Urinsediment
- Indikation: Bei jedem positiven U-Stick
Interpretation
- „Aktives Sediment“: Mikrohämature mit Akanthozyten > 5 % und/oder Nachweis von Erythrozytenzylindern
- Dysmorphe Erythrozyten, Erythrozytenzylinder und Akanthozyten > 5 % beweisen eine Hämaturie glomerulären Ursprungs
- Ein Patient mit aktivem Sediment und instabiler eGFR muss nach Ausschluss eines HWIs dem Nephrologen überwiesen werden
Indikation zur Sonographie der Niere und der ableitenden Harnwege
- Bei allen Patientenit eGFR < 60 ml/min/1,73 m2 nach CKD-EPI
- Mikro- oder Makrohämaturie
- Hinweise auf eine obstruktive Uropathie: Abgeschwächte und verzögerte Miktion, Restharngefühl, Nykturie
- Screening bei positiver Familienanamnese (autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung ist die häufigste vererbte Nierenkrankheit)
- Bei jeglicher Verschlechterung der eGFR
- Bei Koliken oder Flankenschmerzen
Fragestellung
- Nierenanzahl, Lage der Nieren (Hufeisen), Nierengrösse, Parenchymbreite, Nierenrinde-Mark-Begrenzung, Stauungszeichen, komplizierte Zysten, Konkremente oder vermehrte intraparenchymatöse Verkalkungen
Indikation zur Nierenbiopsie
- In allen unklaren Fällen mit therapeutischen Implikationen (Indikation stellt in der Regel der Nephrologe)
Screening
- Ein generelles (Routine-)Screening auf Niereninsuffizienz wird nicht empfohlen
- Ein Screening wird empfohlen bei Risikopatienten
- Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, andere kardiovaskuläre Erkrankungen, Nierenstein, HIV, Hepatitis, Malignom
- Positive FA auf CKD bzw. genetische Nierenerkrankungen (z. B. ADPKD, Alport-Syndrom)
- Rezidivierende Obstruktionen mit/oder ohne Infekte, autoimmune und systemische Erkrankungen (z. B. Lupus erythematodes)
- Nephrotoxische Medikamente (z. B. NSAR, Lithium, Bisphosphonate, Aminoglykoside, Chemotherapeutika)
- Einnierigkeit
- Patienten, welche als Frühgeborene zur Welt gekommen sind
- Status nach komplizierten SS oder Geburten
- Status nach rezidivierenden AKI
Screening-Untersuchungen
- Albuminurie über UACR, Kreatinin mit eGFR
- Sonographie bei selektiven Patienten, z. B. pos. FA auf Polyzystische Nierenkrankheit
Screening-Intervalle
- Diabetiker jährlich
- Hypertoniker bei Initiation der Therapie und danach alle 3 Jahre
- Bei Personen mit FA auf CKD alle 3 Jahre
Krankheitsstadien und Folgeerkrankungen
Tabelle: CKD-Prognose gemäss GFR- und Albuminurie (nach KDIGO, 2012)
Sekundäre Störungen/Folgeerkrankungen der chronischen Niereninsuffizienz sind
- Arterielle Hypertonie
- Renale Anämie
- Hyperparathyreoidismus/renale Osteopathie und Gefässverkalkung wegen Hypokalzämie und Hyperphosphatämie
- Metabolische Azidose
- Hyperkaliämie
- Die CKD ist ein kardiovaskulärer Risikofaktor
Monitoring
Häufigkeit der Kontrollen: Je nach Grunderkrankung oder Empfehlung des Nephrologen
Welche Untersuchungen?
Ob jeweils die komplette Diagnostik erfolgen soll, ergibt sich aus Anamnese, Krankheitsbild, Vorwerten und Dynamik des Verlaufs
- Nierenfunktion
- eGFR/Krea, Harnstoff, Urin-Albumin/Krea-Ratio, U-Sediment und Elektrolyte: Na, Ka, Ca, Phosphat, Bicarbonat
- Anämie: BB, Ferritin/CRP, Vit B12 und Folsäure; LDH und Haptoglobin (Ausschluss Hämolyse)
- Knochenstoffwechsel: Ca, Phosphat, alk. Phosphatase/Ostase, Vitamin D3, PTH
- Eiweiss und Albumin im Serum plus Albumin-/Protein/Krea-Ratio im Spot-Urin
- Bicarbonat bestimmen –> Wird bei fortschreitender CKD wegen metabolischer Azidose immer wichtiger
- Nierensonographie –> Bei jeglicher nicht erklärbarer akuter Verschlechterung der eGFR
Stadium G2
Kontrollen
- Jährliche Kontrolle (eGFR und Albuminurie) und BD bei stabilem Verlauf
- Risikofaktoren für Niereninsuffizienz suchen und behandeln, v. a. kardiovask. RF; bei jungen Patienten ohne weitere Erkrankung vertiefte Diagnostik einleiten bzw. Nephrologen beiziehen
Stadium G3
Kontrollen
- Minimal-Labor: BB, eGFR/Krea, Harnstoff, Na, Ka, Albuminurie und Albumin/Krea-Ratio. Ab Stadium G3b ausserdem: Ca, Phosphat, alk. Phosphatase, PTH, 25-OH-Vitamin
- Im Stadium G3b alle 3 Monate
- Cave Medikamente: NSAR; Anpassung der DOAK gemäss Präparat und Kompendium und swissmedicinfo. Keine phosphathaltigen Präparate, z. B. Colophos® zur Koloskopievorbereitung
Stadium G4
Kontrollen
- Alle 1–3 Monate in Zusammenarbeit mit dem Nephrologen
- Kontrolle des sek. Hyperparathyreoidismus, Hypertonie, Hypervolämie, Anämie und Azidose:
Labor wie G3b, Appetit, ZNS-Veränderungen
Klinik: Gewicht, Ödeme, paraumbilicale Strömungsgeräusche, Blutdruck
Therapie: Regelmässige EPO-Substitution und parenterale Eisengabe in Rücksprache mit dem Nephrologen - Medikamente: Metfomin absetzen, ACE-Hemmer oder Sartane nicht absetzen, sondern beibehalten, deshalb oft Kalium-Binder einsetzen; Diuretika und Antidiabetika anpassen; unter den Blutgerinnungshemmern ist Dabigatran kontraindiziert
Stadium G5
Kontrollen
- Alle 1–3 Monate in Zusammenarbeit mit dem Nephrologen: Wie oben, plus CRP und Uricult bei symptomatischen Patienten
- Urämie-Symptome aktiv erfragen
- Wenn möglich jodhaltige Kontrastmittelgabe vermeiden
- Medikamente: ACE-Hemmer oder Sartane nur absetzen, wenn Serumkalium nicht kontrollierbar ist (> 5,5 mmol/l), Anpassung Medikamente (Diuretika, Analgetika etc.). Keine nephrotoxischen Medikamente (Lyrica®, Modasomil®)
- Diät-Empfehlung: Salz- und kaliumarme Kost, allenfalls ergänzend mit Kalium-Binder, Phosphat-Binder, Nephrotrans®
- Bei Patienten mit hohem oder sehr hohem CKD-Progressionsrisiko (siehe rote Felder im CKD-Stadiendiagramm, s. o.)
- Bei positiver FA bzgl. Nierenkrankheit
- Rezidivierende Nephrolithiasis (zur Steinmetaphylaxie)
- Persistierende Mikrohämaturie (Nachweis mikroskopisch und nicht mittels Papierstreifentest!)
- Bei allen Patienten ab Stadium G3b und höher
- Bei allen Patienten mit einem AKI oder raschem GFR-Abfall
- Persistierende Albuminurie > 300 mg/d
- Bei Patienten im Stadium G4 zur Vorbereitung eines Nierenersatzverfahrens
- CKD und therapieresistente Hypertonie
- Schwangere mit Proteinurie und Hypertonie
- CKD-Frauen, welche schwanger werden (erhöhtes Risiko auch für die Nieren!)
Therapie
- Blutdruck einstellen: Zielkorridor130140/70–80 mmHg
- Proteinurie reduzieren: Therapie auf Zielwert < 500 mg/d, Blutdruck < 130/80 mmHg
- Diabetes: Einstellung auf Zielwert HbA1c < 7 % bei jüngeren Patienten. Bei älteren Typ-2-Diabetikern < 8 %
- Calcium und Phosphat im Normbereich
- Metabolische Azidose behandeln
Ausserdem
- Nephrotoxische Medikamente vermeiden (z. B. Kontrastmittel-Exposition)
- Lebensstil: Gewichtsreduktion auf BMI zwischen 25–30, Nikotinstopp, Bewegung
- Diätempfehlung
- Restriktion NaCl (5 g/d), je nach CKD Stadium Eiweissexzess vermeiden, kaliumarme Diät bei Hyperkaliämie, bei Hyperphosphatämie Milch- und Fleischprodukte reduzieren
- Flüssigkeitsrestriktion i. d. R. erst ab Dialyse mit Verlust der Restdiurese erforderlich, bedeutsam bei Herzinsuffizienz als Komorbidität
- Vitamin D nur als Therapie des sek. Hyperparathyreoidismus (Normbereich anstreben)
- Eisenpräparate und ESA (Erythropoietin-stimulierende Agenzien): Rein symptomatische Therapie bei Anämie (bei einem Hb von 9–10 g/dl) ohne Einfluss auf die Progression
Nichtmedikamentöse Massnahmen
- Salzrestriktion steigert die Wirksamkeit vieler Antihypertensiva
- Bei Adipositas zu Gewichtsreduktion motivieren
- Regelmässig sportliche Aktivitäten
Antihypertensive Therapie im Stadium G3
1. Stufe
- ACE-Hemmer und AT-II-Antagonisten (= RAAS-Blocker) sind Medikamente der 1. Wahl, insbesondere bei Diabetes mellitus und/oder Proteinurie – mit und ohne Ödeme. Die beiden Substanzklassen dürfen nicht kombiniert werden!
2. Stufe
Zu obigen Medikamenten hinzufügen
- 1. Wahl: Thiazide oder „Thiazid-ähnliche“ Substanzen (z. B. Hydrochorothiazid, Chlorthalidon, Indapamid)
- 2. Wahl bzw. bei CKD Stadium G4–5 oder starken Ödemen: Schleifendiuretika (bevorzugt Torasemid)
3. Stufe
Zu obigen Medikamenten hinzufügen
- Ca-Antagonist (Nifedipin, Amlodipin, Lecarnidipin sind sog. Dihydropyridine)
4. Stufe
- Betablocker zu obigen Medikamenten hinzufügen. Diese können allerdings bei St. n. Herzinfarkt oder bei Herzinsuffizienz schon früher indiziert sein. Falls Betablocker kontraindiziert oder nicht vertragen werden –> ggfls. Alphablocker einsetzen
Antihypertensive Therapie im Stadium G4
- In Absprache mit Nephrologen
- Einschleichend dosieren, Hypotonie vermeiden
- Ersatz des Thiazids durch ein Schleifendiuretikum oder in Kombination mit diesem
- RAAS-Blocker sollen wenn immer möglich nicht abgesetzt werden – nur in Absprache mit dem Nephrologen
- Erlaubte Medikamente: Ca-Antagonist, z. B. Amlodipin, Betablocker, Doxazosin (Alpha-blocker), Clonidin (Catapresan). Minoxidil: Nur in Kombination mit Schleifendiuretika und Betablocker
Einsatz von Diuretika – Therapieempfehlungen
- Thiazide und Thiazid-ähnliche Diuretika (HCT, Indapamid, Chlorthalidon, Metolazon) wirken auch bei eGFR von < 30 ml/min (Stadium G4–G5). Wie bei Schleifendiuretika nimmt die Wirksamkeit mit sinkender GFR jedoch ab, sodass eine Kombination mit Schleifendiuretika sinnvoll ist
- Schleifendiuretika (Torasemid, Furosemid) sind ab eGFR < 30 ml/min (Stadium G4–G5) oft sinnvoll, bei Hypertonie, Herzinsuffizienz oder Ödemen schon früher. Start Torasemid 20 mg, Kontrollen nach 7 Tagen; maximale Torasemid-Dosis: 200 mg/d
- Die kombinierte Therapie mit Thiaziden und Schleifendiuretika ist potenter als die Monosubstanzen allein. Sinnvoll auch bei GFR < 30 ml/min und ev. hilfreich bei Hyperkaliämie
- Aldosteronantagonisten (z. B. Spironolacton) möglich, aber gefährlich, v. a. bei einer Dosis
> 25 mg tgl.
Allgemeines
- Zielwert: Je nach Umständen (Lebenserwartung, Erkrankungsdauer, vaskuläre Komplikationen) HbA1c individuell 6,5 bis < 8 %
- Protektive Wirkung auf Niere der SGLT-2-Inhibitoren: Empagliflozin (Jardiance®), Canagliflozin (Invokana®) und Dapagliflozin (Forxiga®) reduzieren die Progression der CKD bei Diabetikern ab Stadium G2
- SGLT-2-Inhibitoren sollen bei einer GFR ≥ 20 ml/min begonnen werden. Fällt die GFR im Laufe der Zeit < 20 ml/min ab, kann die Behandlung fortgesetzt werden (nicht bei Einleitung einer Dialysebehandlung/Nierentransplantation!)
Wichtig: Bei Patienten, bei denen das Risiko einer Hypovolämie besteht, soll vor Therapiebeginn ggfls. die Dosis von Schleifendiuretika oder Thiaziden reduziert werden - Bei Patienten, die trotz Behandlung mit ACE-Hemmer und SGLT2-Inhibitor eine Albuminurie
≥ 30 mg/d aufweisen, soll zur Senkung des Progressionsrisikos Finerenon gegeben werden (Limitatio beachten!) - Es gibt erste Evidenz für die nephroprotektive Wirkung von Semaglutid bei Patienten mit DM und CKD
- Einsatz und Dosisanpassung verschiedener Antidiabetika bei sich verschlechternder Nierenfunktion –> Arzneiverordnung in der Praxis
CKD-Stadium G3
- Ab einer eGFR < 45 ml/min Metformin-Dosis reduzieren, z. B. auf halbe Dosis, regelmässigere Krea-Kontrollen. Bei Diarrhö, Fieber, Erbrechen (und auch bei operativen Eingriffen in Volllnarkose) –> Metformin, Diuretika und SGLT2-Hemmer pausieren
- Kombinationsmöglichkeiten – zusätzlich zu Metformin und SGLT-2-Hemmern: DPP-4-Hemmer, Sulfonylharnstoff (Gliclazid) oder Insulin, GLP-1-Agonist. Bei fast allen genannten Medikamenten ist eine Dosisanpassung an die CKD erforderlich
CKD-Stadium G4
- Es sind nur noch erlaubt: DPP-4-Hemmer (bei Januvia als einziges Gliptin keine Dosisanpassung erforderlich), GLP-1-Agonisten und Insulin; unter den SGLT-2-Hemmern hat nur Canagloflozin (Invokana®) eine Indikation bis 15 ml/min bzw. bis zur Dialyepflichtigkeit
- Bei Patienten mit CKD und kardiovaskulärer Erkrankung gelten die Empfehlung der Lipidsenkung in der Sekundärprävention
- In der Regel Fire and forget-Strategie: Fixe Statindosis in Normaldosis; bei hohem kardialen Risiko ev. Hochdosis-Statintherapie
- Ausnahme: Im Fall rezidivierender kv Ereignisse kann eine Einstellung auf strenge Zielwerte (treat to target-Strategie) erwogen werden.
Wichtig: Ab Stadium G3–G5 Statine reduzieren: Atorvastatin auf 20 mg, Rosuvastatin
10 mg, Fluvastatin 80 mg, Pravastatin 40 mg, Simvastatin 40 mg. Wenn Zielwerte nicht erreicht werden: Ev. Ezetimib 10 mg dazu (umstritten, da geringer Zusatznutzen)
- Atorvastatin bevorzugt einsetzen, da keine Dosisanpassungen bei nachlassender Nierenfunktion erforderlich sind und das Statin positive Effekte auf Proteinurie und den Erhalt der Nierenfunktion hat
- Bei Patienten mit CKD ohne bekannte kardiovaskuläre Erkrankung und einem geschätzten 10-Jahres-Risiko für kv Ereignisse von mindestens 10 % sollte ein Statin angeboten werden (jedoch nie bei hämodialysepflichtigen Patienten!).
Hyperphosphatämie (= HPA)
Zielwerte
- Phosphat an oberer Norm: 1,45 mmol/l
Massnahmen
- Phosphatarme Ernährung
- Ernährungsberatung
- Phosphatbinder
- Kalziumacetat (Bichsel® oder Salmon®). Dosierung Bichsel®: 8–12 Kapseln (à 400 mg) verteilt auf 3–4 Gaben. Renacet® 950 mg 1–1–1
- Nebenwirkungen/Therapieabbruch: In hoher Dosierung Hyperkalzämie –> dann Wechsel auf Ca-freie Phosphatbinder. Sevelamer-Chlorid (Renagel®) oder Sevelamer-Carbonat (Renvela®) nur vom Spezialisten
Vitamin D, Ca-Phosphat
Zielwerte
- Hyperkalzämie vermeiden
- 25-OH-Vitamin D sollte im Normbereich liegen
Therapie Vitamin-D-Mangel
- 6'000 IE Vitamin D p.o. wöchentlich oder 45'000 IE alle 2–3 Monate p.o.
- Bei ungenügender intestinaler Resorption: Vitamin D3 Streuli Amp 300'000 IE i.m.
- Calcitriol (= aktives Vitamin D) nur falls eine PTH-senkende Therapie indiziert ist, z. B. Calcitriol Salmon Kaps 0,25 µg in Rücksprache mit dem Nephrologen
Cave: Zur Vermeidung einer zunehmenden Gefässverkalkung sowie Calciphylaxie sollen Normokalzämie und Normophosphatämie angestrebt werden
Hyperparathyreoidismus (sHPT)
- Therapie primär über die Korrektur der Hyperphosphatämie, der Hypokalzämie und des Vitamin-D-Mangels
- PTH darf bei dialysepflichtiger Niereninsuffizienz das Doppelte des oberen Normwertes betragen. Bei steigenden oder erhöhten PTH-Werten trotz normalem Vitamin-D-Spiegel und normalem Phosphat –> nephrologische Konsultation
- Nur in den Händen des Nephrologen: Paricalcitol (Zemplar®) oder Cinacalcet (Mimpara®), Etelcalcetide (Parsabiv®); Ultima ratio: Subtotale Parathyreoidektomie
- Bei vermuteter renaler Anämie nach Ausschluss anderer Ursachen (B12 und Folsäure, chronischer Entzündungszustand) soll zuerst Eisen gegeben werden (falls Ferritin < 500 µg/l und Transferrinsättigung < 30 %)
- Eine symptomfreie renale Anämie nicht mit ESA (Erythropoietin-stimulierende Agenzien) behandeln, ausser bei Hb < 9 g/dl
- Zielwerte
- Hb 11–12 g/dl; ab Werten über 12,5 g/dl verschiedene NW (z. B. Hypertonie, Thrombosen) und erhöhte Mortalität
Patienten mit GFR < 30 ml/min haben ein erhöhtes Risiko für eine metabolische Azidose
- Therapie bei Bicarbonat < 18 mmol/l: Natriumbicarbonat Kps 500 mg 3–6/d
- Ab Bicarbonat < 18 mmol/l –> Indikation für Nephrotrans®
- Reduktion der Säurezufuhr durch Ernährungsberatung
- Behandlung indiziert (unabhängig von Diabetes mellitus und/oder Hypertonie) ab Albuminurie > 30 mg/d –> 1. Wahl: ACE-Hemmer oder Sartan (keine Kombination!)
- SGLT-2-Hemmer werden bei erwachsenen Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz auch ohne Diabetes mellitus unter folgender Limitatio empfohlen
- eGFR von 25–75 ml/min per 1,73 m2 und
einem Albumin-Kreatinin-Quotient im Urin von > 20 mg/mmol (> 200 mg/g).
Hinweis: Aktuell ist in Ermangelung von Studien noch unklar, ob auch CKD-Patienten ohne Albuminurie von SGLT-2-Hemmern profitieren - Der SGLT-2-Hemmer soll zusätzlich zu einem ACE-Hemmer oder Sartan verabreicht werden bei UACR > 20 mg/mmol oder falls diese kontraindiziert sind oder deren Einsatz wegen Unverträglichkeit abgebrochen werden muss
- eGFR von 25–75 ml/min per 1,73 m2 und
- Bei Patienten mit DM und CKD kann auch Finerenon zur weiteren Senkung der Proteinurie gegeben werden
Behandlung ist indiziert bei Ka > 5 mmol/l oder EKG-Veränderungen
- Sicherstellen, dass nicht eine Kaliumsubstitution vorliegt
- Diätetische Beratung und Kaliumreduktion
- Falls Aldosteronantagonisten gegeben werden –> Indikation überprüfen, ggfls. Dosis reduzieren
- Kurz vor Dialysepflichtigkeit oder Lebendnierentransplantation –> ggfls. ACE-Hemmer/ARB reduzieren oder pausieren
- Falls eine Dosissteigerung der Schleifendiuretika erwünscht ist, kann diese auch das Kalium senken
- Falls eine metabolische Azidose vorliegt (Bikarbonat < 20 mmol/l) –> Alkalitherapie z. B. mit Natriumbikarbonat
- Eine rein medikamentöse Behandlung einer Hyperkaliämie kann nur mit Ionenaustauschern,
z. B. Resonium® A, Sorbisterit®, Veltassa® erfolgen, nur in Rücksprache mit dem Nephrologen
Basis-Analgetika
- Paracetamol in 500 mg-Dosen, max. 3 g/d, auch unter Dialyse erlaubt
- Novalgin ab eGFR < 30 ml/min Dosis reduzieren: 4 x 500 mg/d; keine Einmaldosis höher als 500 mg
- Keine NSAR (p.o., i.v. oder i.m.) ab GFR < 60 ml/min
Opiate
- Immer Akkumulationsgefahr und Interaktionspotenzial von Opiaten berücksichtigen!
- Tramadol (und Tilidin/Valoron®) immer erlaubt; ab eGFR < 30 ml/min begrenzen auf max.
200 mg/d - Hydromorphon (Palladon®, Junista®): Eintitrieren mit 1,3 mg, dann erst 2,6 mg retard; Dosisanpassung bereits ab eGFR 60 ml/min
- Fentanyl (Actiq®, Effentora® [buccal], Durogesic®) – immer erlaubt; nicht dialysierbar!
- Methadon muss erst angepasst werden ab eGFR < 10 ml/min; eignet sich besonders bei terminalen Patienten mit CKD oder in Palliativ care
- Buprenorphin (Transtec®, Subutex®, Temgesic®) werden über die Leber metabolisiert – keine Dosisanpassung nötig
- Morphin/Morphium, Oxycodon: Nicht empfohlen bei CKD
- Empfohlen werden bei allen CKD-Patienten
- Hepatitis-B-Grundimmunisierung (früh vor Dialysebeginn oder vor Nierentransplantation)
- Jährliche Influenza-Impfung
- Pneumokokken-Impfung (Prevenar 13®)
- Shingrix®-Impfung (Gürtelrose)
Beachte: Insbesondere Impfungen mit Lebendimpfstoffen sollten vor einer möglichen Nierentransplantation durchgeführt werden!