Leberenzyme
Tabelle: Enzymmuster und Hinweise auf zugrunde liegende Erkrankungen
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Hepatozellulärer Schaden |
Biliärer Schaden (Cholestase*) |
Toxisch |
GOT |
↑↑ |
↑ |
↑ |
GPT |
↑↑ |
↑ |
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GGT |
↑ |
↑↑ |
↑↑ |
AP |
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↑↑ |
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Bilirubin |
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(↑) |
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* Initial können bei akuter Cholestase die GGT und AP noch normal und nur GPT und GOT erhöht sein.
Bilirubin braucht es nicht für eine Cholestase-Diagnose. Erhöhtes Bilirubin ist Ausdruck des Schweregrades der hepatischen Exkretionsstörung und Ausdruck des Zeitverlaufes.
- Transaminasen (GOT/AST und GPT/ALT)
- Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT) (Aspartat-Aminotransferase/AST)
- Ist nicht leberspezifisch. Bei isoliertem Anstieg ist eine extrahepatische Ursache wahrscheinlicher. Die diagnostische Sensitivität für eine Lebererkrankung beträgt
ca. 70 % - Kann auch durch angeborene Muskelerkrankungen, Myokardinfarkt und extreme Körperaktivität erhöht sein. Bei muskulärem Ursprung ist auch die Kreatinkinase deutlich erhöht
- Ist nicht leberspezifisch. Bei isoliertem Anstieg ist eine extrahepatische Ursache wahrscheinlicher. Die diagnostische Sensitivität für eine Lebererkrankung beträgt
- Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT) (Alanin-Aminotransferase/ALT)
- Ist leberspezifisch. Die diagnostische Sensitivität für Leber- und Gallenwegserkrankungen beträgt ca. 85 %
- Ist vorwiegend im Zytoplasma der Hepatozyten gelöst und bereits bei einer geringen Leberschädigung serologisch nachweisbar
- Starke Erhöhung (> 10-fach)
- Akute Virushepatitis (> 25-fach des oberen Normwerts), Autoimmunhepatitis, akute toxische, ischämische oder hypoxische Leberschädigung
- Mässige Erhöhung (5–10-fach)
- Leichte virale, medikamentöse, äthyltoxische sowie drogeninduzierte (Kokain, Ecstasy) Hepatitiden
- Autoimmunhepatitis
- Leichte Erhöhung (< 5-fach)
- Chron. Virushepatiden, Leberzirrhose, metabolische Fettlebererkrankung, Hämochromatose, Lebertumoren, cholestatische Lebererkrankungen
- Normale Transaminasen möglich bei
- Hämochromatose, chron. Hepatitis B, D und C, Leberfibrose oder Zirrhose, metabolische Fettlebererkrankung
- De-Ritis-Quotient (DRQ) GOT/GPT
- Norm 0,6-0,8; DRQ < 1 bei geringem Leberschaden, DRQ > 1 bei schwerem Leberschaden; bei bekannter ALD (Alcohol-associated liver disease) oder MetALD (Metabolic and alcohol-associated liver disease), Hepatitis B, D oder Hinweis auf die Entwicklung einer Zirrhose
Anmerkung: Ein erhöhter De-Ritis-Quotient ist nicht aussagekräftig, wenn die Leberfunktionsparameter (Leberenzyme, Bilirubin, Quick) im Normbereich liegen
- Norm 0,6-0,8; DRQ < 1 bei geringem Leberschaden, DRQ > 1 bei schwerem Leberschaden; bei bekannter ALD (Alcohol-associated liver disease) oder MetALD (Metabolic and alcohol-associated liver disease), Hepatitis B, D oder Hinweis auf die Entwicklung einer Zirrhose
- Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT) (Aspartat-Aminotransferase/AST)
- Gamma-GT (GGT)
- Erhöhte Werte sind Zeichen für eine Leber-/ und/oder Gallenwegserkrankung
- Eine geringe Erhöhung ist ein unspezifischer Hinweis auf eine Hepatopathie oder eine medikamentös toxische Enzyminduktion
- Ist GGT im Vergleich zur AP disproportional stark erhöht, spricht dies für eine alkoholische Leberschädigung –> Zudem ist die GGT zusammen mit der alkalischen Phosphatase ein entscheidender Faktor zur Beurteilung einer Cholestase
- Alkalische Phosphatase (AP)
- Ist nicht leberspezifisch. Ursprung in Leber und Knochen. Ist AP erhöht, so soll mittels GGT Leberursprung bestätigt/ausgeschlossen werden
- Erhöht bei Cholestase, entzündlich, toxisch medikamentös, neoplastisch oder Konkrement obstruktiv bedingt
- Erhöhte Werte können im letzten Schwangerschaftstrimenon (plazentarer Ursprung) und in starker Wachstumsphase im Kindesalter ohne Krankheitswert sein
- Bilirubin
- Die Höhe des Bilirubins ist ein wichtiger Marker des Schweregrads einer Lebererkrankung und der Prognose
- Für die Differentialdiagnose ist Bilirubin – zusätzlich zu Transaminasen, GGT, AP – häufig ohne diagnostischen Wert, da eine Erhöhung sowohl bei primär hepatozellulärer Schädigung als auch bei Cholestase vorliegen kann
- Wichtig zur Diagnose, Differentialdiagnose und Verlaufskontrolle eines Ikterus/einer Hämolyse (indirektes Bilirubin)
- Ein generelles Leber-Checkup bei asymptomatischen Gesunden ist nicht indiziert!
- Case finding wird bei Patienten mit bestimmten Risikofaktoren (RF) empfohlen
- Diabetes mellitus, Einnahme von Phytopharmaka oder „Supplementen“, RF für chronische Hepatitis oder Schistosomiasis, Alkohol- oder Drogeneinnahme. Empfohlener Lebertest: GPT (ALT)
- Zur Frühdiagnostik von stummen chronischen Hepatitiden wird die Bestimmung von Anti-HBc IgG/IgM, HBsAG und Anti-HBs sowie Anti-HCV-AK empfohlen (s. a. mediX GL Check-up)
- Bei Verdacht auf Hämochromatose zudem Bestimmung des Ferritins und nüchtern gemessener Transferritinsättigung (s. a. mediX GL Hämochromatose)
Indikation zur weiterführenden Diagnostik
Bei erhöhten Leberenzymen, wenn
- diese chronisch (≥ 6 Monate) bestehen, oder
- das Dreifache der Norm überschreiten, oder
- die Patienten symptomatisch sind (klinische Zeichen einer Lebererkrankung)
- Immer mit Virus-Serologie bei jeder Transaminasenerhöhung, sofern nicht vorbekannt
Abklärungsschritte
1. Schritt: Abklärung auf häufige Ursachen
- Laboruntersuchungen
- Vervollständigung der Leberfunktionswerte, falls nicht schon gemacht: GOT, GPT, AP, Bilirubin, ev. INR, Albumin
- Screening auf chronische Virushepatitis
- HBsAG, anti-HBc, anti-HCV
- Weitere Hepatitis-Tests können später gemacht werden, falls der Befund positiv ist
- Screening Alkohol
- Hämatogramm (MCV ↑, Tc ↓), CDT (Aussagekraft beschränkt, positiv wenn über
60 g Alkohol in den letzten 7 Tagen), Cage-Fragen oder AUDIT-C (Fragebogen zur Erkennung eines problematischen Alkoholkonsums)
- Hämatogramm (MCV ↑, Tc ↓), CDT (Aussagekraft beschränkt, positiv wenn über
- Screening metabolisches Syndrom
- Lipidwerte, Glukose, Blutdruckmessung, BMI
- Screening Hämochromatose
- Transferrinsättigung nüchtern > 45 % ist verdächtig auf Hämochromatose. Tf-Sättigung > 60 % bei Männern bzw. > 50 % bei Frauen ist ein deutlicher Hinweis
- Ferritinbestimmung ist als initialer Screeningtest eher ungeeignet. Falls Ferritin bestimmt wird, dann nur zusammen mit CRP und nüchtern Transferrinsättigung!
–> Siehe auch mediX GL Hämochromatose
- Sonographie Abdomen (CT oder MRI)
- Bei unklar erhöhten Leberenzymen sollte frühzeitig eine Ultraschalluntersuchung erfolgen
⇒ Siehe auch mediX GL Bildgebende Untersuchungen
- Bei unklar erhöhten Leberenzymen sollte frühzeitig eine Ultraschalluntersuchung erfolgen
2. Schritt: Abklärung auf extrahepatische Ursachen
Findet sich in den oben genannten Tests keine Ursache für die erhöhten Transaminasen, müssen extrahepatische Ursachen (v. a. Muskel- und Schilddrüsenerkrankungen) ausgeschlossen werden
- TSH –> Hyper-/Hypothyreose (s. a. mediX GL Schilddrüsenerkrankungen)
- CK –> Muskelerkrankungen
- Transglutaminase-IgA-AK und Gesamt IgA –> Zöliakie (s. a. mediX GL Nahrungsmittelunverträglichkeiten)
3. Schritt: Abklärung auf seltene Ursachen
- Serum-Coeruloplasmin bei Patienten unter 40 J., tiefe Werte von Coeruloplasmin
–> M. Wilson - Serumeiweiss-Elektrophorese oder quantitiative Immunglobulin-Bestimmung
- Erhöhtes IgG (mehr als 1,2-fach der oberen Normgrenze) –> V. a. Autoimmunhepatitis
- α1-Antitrypsin –> Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
- AMA (Antimitochondriale AK) –> Suche nach Primär Biliärer Cholangitis (PBC)
Erhöhte AP und AMA sind ein starker Hinweis auf PBC
4. Schritt: Elastographie
- Die Elastographie entweder mittels Fibroscan oder share Wave-Elastographie kann im Rahmen der Erstdiagnostik oder Verlaufskontrolle bei chronischen Lebererkrankungen eingesetzt werden, jedoch nur wenn klare Hinweise für eine Fibrose im Labor (Fib4-Score) oder in der Sonographie bestehen
5. Schritt: Leberbiopsie
- Nur bei speziellen Fragestellungen
Hepatitis A
- Übertragung
- Fäkal-oral (Wasser, Lebensmittel [z. B. Mischung gefrorener Beeren], Muscheln, infizierte Personen)
- Ist praktisch immer selbstlimitierend und führt zu einer lebenslangen Immunität
- Diagnostik
- Frische Infektion: > 10-fache Erhöhung der anti-HAV-IgM
- Persistierend niedrige IgM-Titer nach Impfung und durchgemachter Infektion sind möglich
- Immunität: Anti-HAV-IgG
- Impfung
- Impfempfehlung insb. für Reisende, vor einer Schwangerschaft sowie bei MSM, Drogenkonsumenten, beruflich Exponierten, chronisch Kranken und v. a. chronisch Lebererkrankten (MASLD, HBV, HCV, HIV)
- Hepatitis A-Impfung mit monovalentem Impfstoff Havrix® 720 (ab 1. bis 18. Geburtstag) bzw. Havrix®1440 (ab 19. Geburtstag): 2 Dosen im Abstand von 6 Monaten
- Kombinationsimpfung (Hep A+B) mit Twinrix® 720/20: 1.–15. Geburtstag –> 2 Dosen
(0, 6 Monate), ab 16. Geburtstag –> 3 Dosen (0, 1, 6 Monate) - Weitere Informationen siehe aktueller BAG Impfplan, mediX FS Impfungen
Hepatitis B
Übertragung
- Kontaminiertes Blut, Nadelstich, needle sharing, ungeschützter GV, materno-fetale Infektion
- Hohe Prävalenz, z. B. in Balkanregion, Mittelmeerländer, Asien, Afrika
Symptome
- Prodromalstadium (1 Woche): Grippale Symptome; Appetitlosigkeit, Übelkeit, Bauchschmerzen; Arthralgien und flüchtiges Exanthem
- Lebermanifestation (4–8 Wochen): Zuerst (Skleren-)Ikterus, dunkler Urin, heller Stuhl, dolente Hepatomegalie
Indikationen zur Diagnostik
- Transaminasenerhöhung, klinische Zeichen einer Hepatitis
- Familien- oder Haushaltsangehörige bzw. Sexualpartner HBV-Infizierter (diskordante Partner impfen!)
- Promiskuität und MSM
- Aktive und ehemalige i.v. Drogenkonsumenten
- Koinfektion (HIV, HAV, HCV)
- Schwangere
- Herkunft aus Hochprävalenzgebiet
Screening auf Hepatitis B
- Alle Personen mit Geburtsort Asien/Afrika/Balkan einmal auf Anti-HBc IgG/IgM, HBsAG und Anti-HBs testen. Wenn negativ –> impfen, wenn positiv –> Therapiebedarf und Nachsorgekonzept klären
- Alle Schwangeren sollen zumindest auf HBsAG gescreent werden
Virusserologie bei Verdacht auf Hepatitis-B-Infektion
- Anti-HBc IgG/IgM, HBsAG und Anti-HBs wenn positiv: –> HBeAG, anti-HBe, HBV-DNA
- Wenn HBsAG positiv, dann einmal Hepatitis-D-Antikörper bestimmen
Weitere Laborparameter
- Akute Hepatitis: Transaminasen (> 10 x; ALT [GPT] > ASAT [GOT]), Cholestaseparameter (Bilirubin, Alkalische Phosphatase, Gamma-GT), anti-HBc IgM, HIV, Anti-HAV IgM, Anti-HCV, HEV PCR, IgG (als Parameter für autoimmune Hepatitis)
- Chronische Hepatitis: Transaminasen (2–5 x; ALT > ASAT)
Tabelle: Diagnostische Kriterien einzelner Hepatitis-B-Verlaufsformen
Akute Hepatitis B |
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Chronische Hepatitis B
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Chronische Hepatitis B-Infektion |
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Ausgeheilte Hepatitis B
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Verlaufskontrolle einer akuten HBV-Infektion
- Je nach Dynamik und klinischem Verlauf
- Bei schwerem Krankheitsbild initial ggfls. tägliche Kontrollen (AZ, Transaminasen, Syntheseparameter [Quick])
- Bei leichtem Krankheitsbild: Wöchentliche Kontrollen (AZ, Transaminasen, Quick)
- Konversion HBsAG (+) –> HBsAG (-) und das Auftreten von anti-HBs (> 10 IU/l) sind Zeichen der Ausheilung (mit Immunschutz), wenn Transaminasen wieder normal sind
- Bei HBsAg negativ/anti-HBs < 10 IU/l: HBV-DNA bestimmen; Kontrolle nach 12 Monaten
Verlaufskontrolle einer chronischen HBV-Infektion (bei fehlender Therapieindikation)
- Kontrolle je nach klinischer Aktivität initial alle 3 Monate – bei Vorliegen einer Leberzirrhose anschliessend alle 6 Monate, sonst alle 12 Monate
- Leberentzündungs- und Synthese-Parameter, Blutbild, Quick
- HBeAg (wenn initial positiv)
- HBsAg, wenn negativ: anti-HBs
- HBV-DNA (quantitativ)
- Sonographie alle 6 Monate bei nachgewiesener Zirrhose oder bei HCC positiver Familienanamnese kombiniert mit asiatischer Herkunft auch ohne Zirrhose. Alpha-Fetoprotein wird in Kombination mit der Sonographie empfohlen (8)
Impfung
- Pragmatisch „liberales“ Angebot an alle, da viele Aspekte (STD, Reiseimpfung, Karzinomprävention, ökonomische Aspekte); (siehe BAG Impfplan)
- Postexpositionsprophylaxe innert 48 h für Nicht-Immune nach Risikosituation (Nadelstich) (siehe mediX FS Stichverletzungen)
- Patienten mit HBV-Infektion sollten gegen Hepatitis A geimpft werden
⇒ Siehe auch mediX FS Impfungen
Therapieindikation
Akute Hepatitis B
- In der Regel keine Notwendigkeit einer spezifischen Therapie, da hohe Spontanheilungsrate
- Ausnahme: Fulminante Hepatitis mit drohendem Organversagen/Transplantationsnotwendigkeit
Chronische Hepatitis B
Behandlungsindikationen
- HBV-DNA > 2’000 IU/ml, erhöhtes ALT (GPT) > 2-fach oberer Normwert
- Alle Patienten mit Leberzirrhose (–> Elastographie)
- Immunsupprimierte Patienten (z. B. Prednisontherapien, Biologika, Chemotherapien während der Therapie und 6 Monate über Therapieende)
Behandlung
- Die Therapie besteht in der Regel in einer sehr gut verträglichen Langzeittherapie mit Tenofovir eine Tablette pro Tag. Dabei ist die konsequente Therapieadhärenz entscheidend
Hepatitis C
Risikogruppen
- I.v. Drogenkonsum; Piercing, Tätowieren, Akupunktur unter nicht sterilen Bedingungen
- Sexuelles Infektionsrisiko in stabiler diskordanter (ein Partner ist positiv) heterosexueller Beziehung gering; erhöhtes Risiko bei HIV-Infektion und MSM
- Herkunft aus Land mit hoher Prävalenz
- Operationen und Bluttransfusionen vor 1992
- Erhöhte Prävalenz in der Schweiz bei Geburtsdatum 1950–1985 und bei Erstgenerations-Immigranten aus Italien Jahrgang 1960 und älter
Symptome und Verlauf
- Die HCV-Infektion verläuft bei ca. 80 % inapparent, sonst unspezifische Allgemeinsymptome: Fatigue, Gelenkschmerzen, kognitive Beeinträchtigungen, rechtsseitige Oberbauchbeschwerden
- Eine akute HCV-Infektion geht in 50–85 % in eine chronische Hepatitis C über (definitionsgemäss > 6 Monate HCV-RNA positiv)
Diagnostik und Screening
- Eine HCV-Diagnostik sollte ein- oder mehrmalig erfolgen nach anamnestischen Risikofaktoren
- Patienten mit Symptomen einer Hepatitis
- Erhöhte Transaminasen
- Fatigue oder Gelenkschmerzen ohne klare Ursache
- Empfänger von Blutprodukten vor 1992
- Operationen oder Transfusionen in Ländern mit niedrigem Hygienestandard
- Hämodialyse
- Aktueller Drogenkonsum (i.v., sniffing, rauchen)
- Koinfektionen (HBV, HIV)
- Kontaktpersonen von HCV-Infizierten
- Kinder HCV-positiver Mütter
- Schwangere (1. Trimenon)
- MSM
- Sexarbeiter/innen und Promiskuität
- Freiheitsentzug
- Patienten mit Tattoos und Piercings, die nicht steril angebracht wurden
- Immigration/Reisende aus Hochprävalenzgebieten (Zentral- und Ostasien, Nordafrika, osteuropäischen Ländern, Frankreich und Italien)
- Piercing oder Tattoo unter ungenügend/fraglich sterilen Bedingungen (z. B. Ferientattoo, Tattoo im Strafvollzug)
- Gefängnisinsassen/Gefängnispersonal
- Transplantationsempfänger
Ausserdem
- Bei Personen der Geburtenjahrgänge 1950–1985
Vorgehen
- Antikörper-Suchtest auf Hep C (–> Anti-HCV-Antikörper)
- Bei positivem Befund muss eine Bestätigung erfolgen (PCR-Test auf HCV-RNA)
- Bei negativem PCR-Testergebnis handelt es sich wahrscheinlich um eine frühere, spontan ausgeheilte oder behandelte Infektion. Bei Vorliegen eines positiven PCR-Tests liegt eine aktive Hepatitis-C-Infektion vor
Bei jeder chronischen Hepatitis C muss eine Leberzirrhose ausgeschlossen werden!
- APRI-Score (oder Fib4-Score): Bei bestätigter aktiver Hep C –> Bestimmung von AST/GOT und Thrombocyten für APRI-Score. Bei Score > 0,5 ist empholen, eine Elastograpie beim Spezialisten durchzuführen (Fragestellung: Fibrosegrad, Leberzirrhose?) (s. a. –> HepCare).
⇒ Bei Leberzirrhose halbjährlich Ultraschall zum Ausschluss eines HCC
Vollständige Checkliste: HepCare
- Bei nachgewiesener Hep-C-Virämie (PCR-positiv) wird eine antivirale Therapie empfohlen (auch bei akuter Hep C)
⇒ Patienten- und Fachinformation Hepatitis C: hepatitis-schweiz.ch, Patientenorganisation und kostenlose Peer-to-Peer-Beratung: www.hepc.ch
Antivirale Medikation
- Erste Behandlung/ohne Zirrhose (alle Genotypen)
- 8 Wochen Maviret® (Glecaprevir/Pribentasvir): 3 Tabletten mit Imbiss
- 12 Wochen Epclusa® (Sofosbuvir und Velpatasvir): 1 Tablette
- Patienten mit Child-A-Zirrhose (alle Genotypen)
- 12 Wochen Epclusa®
- 8–12 Wochen Maviret®
- Patienten mit Child B-Zirrhose: Nur Epclusa® möglich
- Patienten mit Niereninsuffizienz: Nur Maviret® möglich
- Präexpostionsprophylaxe (PREP bei HIV) bei MSM: Nur Maviret® möglich
Hinweis: Interaktionspotential mit den Hepatitis-C-Medikamenten prüfen –> www.hep-druginteractions.org.
Kontrollen
- Abschlusskontrolle: 12 Wochen nach Therapieabschluss –> Untersuchung auf HCV-RNA. Bei fehlendem HCV-Nachweis gilt der Patient als geheilt
Weitere Informationen zur Therapie und Therapiekontrolle: www.hepcare.ch, Statement SASL, SSG und SSI (7), www.SASL.ch.
Impfung
- Bei stabiler klinischer Situation immer gegen Hepatitis A und B impfen (falls kein Immunschutz oder eine chronische Infektion vorliegen)
- Bei Patienten mit Leberzirrhose auch Pneumokokken-Impfung
Hepatitis D
Übertragung
- Gleiche Übertragungswege wie bei Hepatitis B; nur möglich wenn auch HBV übertragen wird oder HBV-Infektion besteht
Krankheitsverlauf und Symptome
- Koinfektion (gleichzeitige Infektion mit HBV)
- Akute Hepatitis, meist selbstlimitierend
- Schwere Verläufe möglich, Risiko für fulminantes Leberversagen erhöht
- Chronifizierung seltener (ca. 5–10 %)
- Superinfektion (HDV-Infektion bei bestehender chronischer HBV-Infektion)
- Häufigste Form, führt in bis zu 80–90 % der Fälle zu chronischer HDV/HBV-Koinfektion
- Raschere Progression zur Leberzirrhose und erhöhtes Risiko für hepatozelluläres Karzinom (HCC)
Diagnostik
- Indikation: Bei Patienten mit bekannter HBsAg-Positivität
- Anti-HDV-IgM
- Anti HDV-IgG
- Wenn HDV-AK positiv sind, muss HDV-RNA bestimmt werden
Therapie
Eine antivirale Therapie wird in der Regel empfohlen bei
- Chronischer HDV-Infektion mit nachweisbarer HDV-RNA und
fortschreitender Lebererkrankung (Fibrose, Zirrhose, entzündliche Aktivität) oder klinischen Zeichen einer Dekompensation - Medikamente: Bulevirtid (Hepcludex®), ev. Peg-Interferon (Indikation und Verlaufskontrolle beim Hepatologen)
Hepatitis E
Übertragung
- Fäkal-oral, selten durch Blutprodukte, Organspenden
- In Entwicklungsländern: Kontaminiertes Wasser, rohe Fleischprodukte
- In Europa: Zumeist autochthon durch unzureichend gegartes, infiziertes Schweinefleisch (seltener Wild) übertragen
Krankheitsverlauf und Symptome
- Vermutlich unterschiedlich je nach HEV-Genotyp
- Genotyp 1, prävalent in Asien mit 1–2 % Risiko für Leberversagen, insb. bei Schwangeren (Frühgeburt, Blutung, Mortalität), aber keine chronische Infektion
- Genotyp 3–4, prävalent in Europa fast immer asymptomatisch und selbstlimitierend. Chronische Hepatitis E (Nachweis von Virus-RNA > 6 Monate im Blut oder Stuhl) kommt nur bei Immunsupprimierten (z. B. HIV) vor; Verlauf meist asymptomatisch
Labor
- Anstieg Transaminasen (AST/GOT, ALT/GPT) unterschiedlicher Ausprägung
- Indikation zur Virus-Serologie besteht bei anamnestischen Hinweisen bei Patienten mit Lebererkrankung oder hämatologischen Malignomen sowie bei Schwangeren und Organtransplantierten
- Zur Diagnostik einer akuten HEV-Infektion direkt HEV-RNA (PCR), da der Antikörpertest zu ungenau ist.
Therapie
- Bei Immunkompetenten ist meist keine (spezifische) Therapie erforderlich; bei schweren Verläufen Zuweisung an ein spezialisiertes Zentrum
Fettlebererkrankung (MASLD, MASH, MetALD)
Neue Nomenklatur (seit 2024)
- NAFLD heisst neu MASLD (Metabolic dysfunction-associated steatotic liver disease)
- NASH heisst neu MASH (Metabolic dysfunction-associated steatohepatitis)
- MetALD bezeichnet eine separate Gruppe von MASLD-Patienten, die 140–350 g/Woche (Frauen) bzw. 210–420 g/Woche (Männer) Alkohol konsumieren. Die neue Definition verlangt neben der Lebersteatose das Vorhandensein von mindestens einem kardiometabolischen Risikofaktor
Symptome/Anamnese
- Reine Hepatomegalie, einfache Steatose und durch Transaminasenerhöhung gekennzeichnete MASLD/NAFLD sind asymptomatisch
- Eine klinisch manifeste Hepatitis durch Alkohol oder MASH (NASH) ist Zeichen einer fortgeschrittenen Erkrankung
Screening
⇒ Ein allgemeines Screening auf eine Fettleber wird nicht empfohlen!
- Stattdessen Case finding: Bei Patienten mit folgender Konstellation ist eine Suche nach einer Fettleber bzw. Leberfibrose sinnvoll
- Typ-2-Diabetes mellitus mit erhöhten Transaminasen (hohe Prävalenz: 50-70 % haben auch MASLD)
- Erhöhte Leberwerte (v. a. GPT/ALT, GGT), wenn andere Ursachen ausgeschlossen sind
- Patienten mit unklarer Hepatomegalie oder sonografischem Hinweis auf Steatose
Diagnostische Tools
- Screening-Fragebogen (bei Verdacht auf Alkoholkonsum)
- Für die Hausarztpraxis wird u. a. der Audit-C empfohlen
- Fib-4-Score: Bei erhöhten Transaminasen oder sonographischem Befund einer Fettleber soll die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Fibrose ermittelt werden –> Fib4-Score
- Sonographie: Homogene Hyperechogenizität der Leber (Cave: Eine Fibrose und Zirrhose können mit der Sonographie alleine oft nicht unterschieden werden
⇒ Ein Algorithmus zur Abklärung von Patienten mit einer sonographischen Steatose sowie von Patienten mit chronisch erhöhtenTransaminasen findet sich in der Vollversion der Guideline
MASLD/NAFLD
- Lifestyleveränderungen sind die entscheidenden Massnahmen
- Körperliche Aktivität von mind. 180 min/Woche
- Gewichtsreduktion durch Fitness und Diät wie auch vermittelt durch GLP-1 Rezeptoragonisten verbessert die Prognose
- Ernährungsumstellung –> siehe mediX GL Adipositas
- Behandlung von Typ-2-Diabetes und Hyperlipidämie
MetAld/ASH
- Alkoholabstinenz (Entzug)
Autoimmun-Lebererkrankungen
Tabelle: Laborbefunde bei Autoimmun-Lebererkrankungen
Erkrankung |
Laborbefunde |
Autoimmunhepatitis (AIH) |
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Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) |
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Primär biliäre Cholangitis (PBC) |
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Symptome
- Unspezifisch: Müdigkeit, Abgeschlagenheit, oft auch lange asymptomatisch
- DD gegen medikamentöse Hepatitis (Nitrofurantoin, Methyldopa) kann initial schwierig sein
Labor
- Chronisch erhöhte Transaminasen, mit Spitzen im entzündlichen Schub. Typischerweise sind Transaminasen 3–10fach über dem oberen Normwert. Später auch erhöhte Cholestaseparameter
- Typ 1: In 95 % antinukleäre Antikörper (ANA) und anti-SMA (AK gegen glatte Muskelzellen)
- Typ 2 (selten): Antikörper gegen Leber-, Nierenmikrosomen (anti-LKM) und gegen Leber-Cytosol-AG (ALC-1). Cave: Auch bei Hepatitis C können sich diese Auto-AK finden!
- Typisch: Erhöhung von IgG. Frühzeitig Abfall von Quick und Albumin
- Vorgehen in der Praxis
Die beste und kostengünstigste Screening-Methode ist die Bestimmung von IgG. Ist dieses erhöht nach Typ 1-AK suchen –> bei negativem Befund nach Typ 2-AK suchen
Therapie (beim Spezialisten)
- Immunsuppressive Therapie initial mit Prednison, langfristig mit Azathioprin
Symptome
- Zunächst asymptomatisch, später Müdigkeit und Erschöpfung, quälender Juckreiz (20–70 %), Ikterus, ev. Rheuma-ähnliche Symptome, Hepatomegalie
Labor
- Unspezifisch erhöhte AP und Gamma-GT (Cholestaseparameter), AMA meist erhöht. Prognostisch bedeutsam: PBC GLOBE score (Alter, Bilirubin, Alkalische Phosphatase, Albumin, Thrombozyten)
Therapie
- Ursodeoxycholsäure (UDCA) lebenslang. Falls trotzdem Fortschreiten bis zur dekompensierten Zirrhose –> Lebertransplantation
Symptome
- Unklare Oberbauchbeschwerden, Fatigue, Pruritus, Ikterus. Bei Diagnose sind bis zu
50 % der Patienten symptomlos (Verdacht durch Leberenzymkonstellation)
Labor und Diagnostik
- Erhöhte Cholestaseparameter (Gamma-GT, AP), pANCA (perinukleäre antineutrophile zytoplasmatische Antikörper) bei ca. 70 %
- Die Diagnose wird im MRCP gestellt
- Koloskopie mit Frage nach gleichzeitiger Colitis ulcerosa
Therapie
- Medikamentös: Ursodeoxycholsäure (UDCA), jedoch ohne Einfluss auf die Prognose
- Interventionelle Dilatation dominanter Gallenwegsstenosen
- Lebertransplantation im Endstadium
Beachte: Sich ev. entwickelnde Gallengangskarzinome nicht verpassen!
Morbus Wilson
Symptome
- Treten meist zwischen dem 3. und 45. Lebensjahr auf
- Unbehandelt stehen v. a. hepatische, neurologische und psychiatrische Symptome, Kaiser-Fleischer Ring (Kupferablagerung in der Cornea – Spaltlampenuntersuchung). Die Schwere der Symptome und auch der Symptombeginn sind sehr heterogen
- Bei Kindern und Jugendlichen sind Symptome einer Hepatitis bzw. eines Leberversagens typisch, neurologische Symptome (Dysarthrie, Bewegungsstörungen, Dystonie u.a.) treten meist später auf
- Typische Erstmanifestation ist eine schwere Hepatitis kombiniert mit hämolytischer Anämie
Diagnostik
- Bestimmung vom Coeruloplasmin im Serum: Bei M. Wilson typischerweise erniedrigt. Beachte: Normale Werte schliessen die Erkrankung nicht aus, v. a. wenn hepatische Symptome vorhanden sind
- Kupferausscheidung im Urin (24 h) soll bestimmt werden, falls Coeruloplasmin normal, aber weiterhin Unklarheit bzw. Krankheitsverdacht besteht (–> Überweisung zum Spezialisten)
Therapie
- Trientin, Zink, D-Penicillamin 10–20 mg/kgKG täglich. Die Therapie und Kupferausscheidung im Urin soll lebenslang engmaschig durch Hepatologen erfolgen
- Bei Leberversagen Lebertransplantation (mit insgesamt guter Prognose)