Diffuser Haarausfall
Symptome
- Akuter Haarverlust Tage bis Wochen nach dem Auslöser (Chemo-/Radiotherapie, Schwermetallvergiftung)
- Alopecia areata – mit Ausrufezeichenhaaren
Diagnostik
- Typische Anamnese und Erscheinungsbild
Symptome
- Gleichmässig diffuser, leichter bis mässiger, gelegentlich auch massiver Haarausfall, (bei unregelmässiger Ausprägung seltene Alopecia areata incognita ausschliessen), jedoch ohne sichtbare Haarlichtung (keine vollständige Glatzenbildung)
- Auslöser: Verschiedene Faktoren können – nach 2 bis 3 Monaten – ein TE auslösen
- Psychisches oder physisches Trauma
- Post partum oder nach einer grossen Operation
- Febrile Infekte, Eisenmangel, Dysthyreose
- Medikamente
- Fehlende Hormonsubstitution in der Menopause oder übermässige/nicht kompensierte Ovarialsuppression unter kombinierter oraler Kontrazeption oder „Minipille“
- Starker Gewichtsverlust
- Lues
- Starker Elementemangel (v. a. Vegetarier/Veganer)
Diagnostik
- Plötzlich auftretender nichtinflammatorischer diffuser Haarausfall ohne Vernarbung spricht bei vorausgegangenem Auslöser stark für ein TE
- Labor: BB, Ferritin, TSH, CRP, BZ – je nach Anamnese zusätzlich: Vitamin B12, antinukleäre Antikörper (ANA), HIV, Lues-Serologie
- Medikamentenanamnese
Tabelle 1: Medikamente, die ein telogenes Effluvium auslösen können
- Allopurinol
- Antikoagulantien
- Antikonvulsiva
- Mitosehemmer (Colchicin, MTX)
- Dopamin
- Hormone (hochdosierte Östrogene, nur selten bei üblichen Kontrazeptiva)
- Penicillamin
- Psychotrope Subtanzen
- Retinoide
Therapie
- Beseitigung der zugrunde liegenden Ursache, Spontanremission abwarten (bis 6 Monate)!
- Bei chronischem TE: Ev. Minoxidil 2 % (2 x/d) oder 5 % (1 x/d) versuchen (wenn keine Spontanremission mehr zu erwarten ist). Die Minoxidil-Therapie muss kontinuierlich erfolgen. Das Therapieergebnis kann erst nach ca. 12 Monaten bewertet werden
- Eisentherapie: Ist bei Eisenmangelanämie immer indiziert, bei Ferritin < 15 ng/l empfohlen. Zielwerte sind umstritten
- Eine Zink- oder Biotin-Supplementation hat ohne klare Mangelsituation keinen Nutzen
Prognose
- Nach Ausschaltung des auslösenden/ursächlichen Faktors sehr gute Prognose. Zunächst setzt sich der Haarausfall meist noch 2–3 Monate fort, bis das Haarwachstum einsetzt. Kosmetisch sichtbare Besserung nach 6–12 Monaten
Lokalisierter Haarausfall
Symptome
- Bei Männern: Allmählich zunehmender Haarverlust frontoparietal („Geheimratsecken"), frontal und/oder Vertex. Prävalenz bei > 65-Jährigen: > 50 %
- Bei Frauen: Gleichmässige Haarlichtung der Scheitelregion, Haarsaum an Stirnhaargrenze bleibt erhalten. Beginn jederzeit nach der Pubertät
Diagnostik
- Erscheinungsbild, Familienanamnese, ev. Trichogramm, negativer Pulltest
Trichogramm (fakultativ, wenn V. a. konkomitates diffuses Effluvium)- 60 bis 70 Haare zur Probenentnahme von der Kopfhaut entfernen
- 5 Tage zuvor die Haare nicht mehr waschen, 14 Tage vorher keine Färbung, Haartönung o. ä.
- Bei Frauen mit Androgenisierungszeichen (Hirsutismus, Menstruationsstörungen etc.) –> Hormonbestimmung (DHEAS, Gesamt- und/oder freies Testosteron)
Differentialdiagnostik
- Alopecia areata diffusa (Alopecia areata incognita). Sie tritt schleichend auf und zeigt sich durch eine etwas unregelmässige diffuse Haarausdünnung ohne Kahlstellen; sie imitiert eine fortgeschrittene AGA oder ein akutes diffuses Telogeneffluvium
Therapie
- Bei Frauen als erstes androgenisierende kombinierte orale Kontrazeption oder Hormonersatz mit Gestagenen der 1. und 2. Generation bzw. Minipille durch Präparate 3. oder 4. Generation ersetzen
- Minoxidil (Alopexy® oder Regaine® Lösung 2 % oder 5 %). Therapiedauer unbegrenzt. Keine Kassenübernahme
NW: Haarwachstum im Gesicht, Kontaktekzem. Therapieerfolg nach 6– 12 Monaten evaluieren
Beachte: 2–4 Wochen nach Absetzen von Minoxidil ev. passager verstärkter Haarausfall („shedding-Effekt‟) - Finasterid 1 mg/d, nur für Männer zugelassen
- Haartransplantation: Einzige Therapie mit dauerhaftem Resultat.
Beachte: Nach Haartransplantation lebenslange topische Therapie mit Finasterid oder Minoxidil - Antiandrogene (z. B. Cyproteronacetat/Diane 35®, ev. in Kombination mit Androcur®) bei Frauen mit ausgeprägter AGA (auch ohne Virilisierung)
- Spironolacton: In Einzelfällen erwägen, wenn Minoxidil nicht wirksam ist; in der Schwangerschaft kontraindiziert!
- Rotlichttherapie: Verstärkt die Wirkung von Minoxidil, ansonsten kaum Evidenz für einen therapeutischen Nutzen
Symptome
- Akut, potentiell reversibel, häufig assoziiert mit psychischem Stress
- Erscheinungsbild
- Klassisch: Runde oder ovale, nicht vernarbende Alopezieherde, keine Zerstörung der Haarfollikel
- Ophiasistyp: Bandförmiger Haarverlust temporal und okzipital
- Alopecia totalis: Totaler Verlust der Kopfhaare
- Alopecia universalis: Verlust der Kopf- und Körperbehaarung
- Assoziation mit atopischer Dermatitis, Schilddrüsenpathologien, anderen Autoimmunerkrankungen (Vitiligo, entzündliche Darmerkrankungen)
- Nagelbeteiligung mit Tüpfelnägeln oder Trachyonychie möglich
- Spontanheilungsrate ca. 50 % innert 1 Jahr – jedoch Rezidivneigung
- DD: Alopecia syphilitica (mottenfrassartig)
Diagnostik
- Klinik, PA und FA, Schilddrüsenparameter, Biopsie nur in speziellen Fällen
- Pulltest: Lose Haare, die sich auf leichten Zug lösen, deuten auf Aktivität der Erkrankung hin.
Beachte: Der Pulltest ist nicht standardisiert und zeigt eine grosse Schwankung von Patient zu Patient und von Tag zu Tag
Therapie
- Topische Steroidcreme/-lösung für bis zu 3 Monate (z. B. Dermovate® Scalp Application)
- Topische Steroidcreme oder -lösung (z. B. Betamethason oder – deutlich wirksamer – Clobetasolpropionat) auf die betroffenen Areale mindestens 3 Monate, anschliessend bei Therapieerfolg langsam ausschleichen (Applikationsfrequenz senken), bei starkem Nachwachsen der Haare eher rascheres Absetzen
- Intradermale Depotsteroidapplikation (bei einzelnen, kleinen Herden) (Triamcinolon 5–10 mg/ml in Lidocain, 0,1 ml/cm2).
Beachte: Atrophiegefahr bei sukutaner statt intradermaler Applikation! - Systemische Steroide: Orale Minipulstherapie (verschiedene Protokolle, i. A. Äquivalenz zu Dexamethason 8 mg/d zwei konsekutive Tage pro Woche), ist aber wegen NW keine langfristige Option (max. 6–12 Monate; bei Kindern Prednison 1 mg/kgKG drei aufeinanderfolgende Tage pro Monat, 3–4 Monate).
Hinweis: Hochdosierte i.v. Therapien wurden mangels Erfolg weitgehend aufgegeben - Methotrexat (MTX) tief dosiert (20–25 mg/Woche), ggfls. initial mit Steroiden; relativ gut wirksame Option, kostengünstig. Nachteil: Langsam wirksam, i. A. mit oralen Steroiden beginnen und überlappend Wechsel zu MTX
- Orale JAK-Kinase Inhibitoren (Baricitinib/Olumiant®, Ritlecitinib/Litfulo®). Wirksamkeit nicht immer besser als Obengenannte, Rezidiv bei Absetzen, sehr teuer (deswegen nicht erste Wahl; relative KI > 65-jährig)
- Perücke wird von IV bezahlt, wenn eine erhebliche, ausgrenzende Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes und Tragzeit von mind. einem Jahr erwartet wird
Vernarbende Alopezien
Symptome
- Lokalisierte, alopezische Areale mit Vernarbung und Untergang der Haarfollikel (irreversibler Haarausfall). Mehr oder weniger entzündlicher Aspekt je nach Ätiologie mit Erythem, Pustelbildung, Büschelhaaren
Diagnostik
- Klinik, Biopsie, ev. bakterieller Abstrich
- Wichtig: Klinische Unterscheidung zu nicht-vernarbenden Alopezien! Vernarbende Alopezien zeichen sich durch Irreversibilität, chronisch-progrediente Verläufe und schlechtes Therapieansprechen aus
Therapie
- Je nach Diagnose dermatologische Behandlung; ev. chirurgischer Eingriff
- Prognose: Häufig sehr langwieriger Verlauf mit Progredienz der Vernarbung