Guideline Kurzversion
Rhinitis allergica und Desensibilisierung
Letzte Änderung: 09/2024
Diagnostik
Primäre Symptome |
Sekundäre Symptome |
Komorbidität |
• Niesen • Juckreiz • Sekretion • Nasale Obstruktion |
• Husten • Halsschmerzen • Lidödeme • Mundatmung/Dyspnoe • Schlafstörungen • Nasale Hypersekretion |
• Konjunktivitis • Sinusitis • Asthma • Atopisches Ekzem • Nahrungsmittel-Kreuzallergie • Rez. Paukenerguss • Gedeihstörung • Eingeschränkte Leistungsfähigkeit |
- Persönliche und familiäre Anamnese für atopische Erkrankungen
–> Atopiezeichen (z. B. juckende, trockene Haut oder eine Ausdünnung der seitlichen Augenbrauen, Ekzeme in den Ellenbeugen, Dennie-Morgan-Falte)? - Allergenexposition
- Art und Schwere der Symptome
–> Einschränkung der Lebensqualität, der Arbeits- und Lernfähigkeit (Fehltage) dokumentieren - Zeitlich
- Saisonale oder perenniale Beschwerden?
In welchen Monaten bestehen die Beschwerden; zu welcher Tageszeit z. B. immer am Morgen nach dem Aufwachen suggestiv für Milbenallergie? - Wie lange bestehen die Beschwerden bereits?
- Saisonale oder perenniale Beschwerden?
- Medikamentenanamnese (bisherige Therapie der AR)
- Voraussetzung für die Diagnose einer AR ist neben der klinischen Symptomatik der Nachweis einer immunologischen Sensibilisierung, welche zur klinischen Symptomatik passend ist.
⇒ Pollendaten Schweiz (Echtzeit) - Es ist oft nicht erforderlich, auf Allergen-spezifische IgE zu testen (mittels Prick-Test oder Bluttest), um die Verdachtsdiagnose einer allergischen Rhinitis zu stellen. Ist eine klinische Diagnose wahrscheinlich –> empirische Behandlung
- Eine allergologische Abklärung mittels Prick-Test (oder Bluttest) ist stets indiziert, wenn eine Desensibilisierung gewünscht wird
- In der Regel ist eine alleinige Testung mittels Prick-Test ausreichend; selten braucht es beide Tests kombiniert
- Sind weder Prick-Test noch Serologie positiv, obwohl die Anamnese eindeutig scheint
–> Provokationstest
Hautpricktest
Indikationen
- Klinisch unklare Diagnose
- Unbefriedigendes Ansprechen auf die empirische Therapie
- Koexistierendes Asthma oder rezidivierende Otitis/Sinusitis
- Geplante Desensibilisierung
Vorgehen
- Prick-Hauttests können das ganze Jahr über durchgeführt werden, auch während der Pollensaison
- Absetzen von Antihistaminika mindestens 3 Tage vor dem Pricktest
- Auch andere Medikamente wie Antidepressiva oder Neuroleptika können den Prick-Test unterdrücken. Um das Funktionieren des Prick-Tests zu bestätigen, wird daher auf jeden Fall immer eine Positiv- und Negativkontrolle mitgemacht, so dass diese Medikamente nicht abgesetzt werden, wenn die Kontrolle positiv ausfällt
- Orale Steroide müssen nicht abgesetzt werden
Bestimmung allergenspezifischer IgE (Serologie)
Indikationen
- Indikation für Desensibilisierung gegeben
- Bei unklarem Prick-Test –> IgE-Tests sollten dann im Regelfall nur auf die positiv getesteten Prick-Befunde erfolgen
- Bei extensiver Hauterkrankung
- Bei Patienten, die Antihistaminika oder andere interferierende Medikamente nicht absetzen können
- Bei Patienten mit hohem Risiko für schwere allergische Reaktionen
- In folgenden Situationen sollte der gesamte nachfolgende Allergen-Block (Komponenten-basierte Allergen-Diagnostik) getestet werden (Tabelle)
- Wenn der Prick-Test als Initial-Diagnostik nicht verfügbar ist
- Wenn alle Prick-Tests negativ sind, klinisch jedoch der Verdacht auf eine Allergie besteht
Tabelle: Standard-IgE-Tests in der Hausarztpraxis
Bet v1 |
Birke; Hasel, Erle, Buche, Eiche, Kastanie u. a. |
Bet v2 |
Panallergen |
Ole e1 |
Esche |
Phl p1/5 |
Gräser |
Amb a1, Art v1 |
Kräuter |
Der p1, Der p2 |
Milben |
Mx2 |
Schimmelpilze |
Therapie/Prävention
- Grundsätzlich stehen Allergenvermeidung (Prävention), medikamentöse Therapie zur Symptomkontrolle und bei Bedarf die Desensibilisierung zur Verfügung
- Zeit draussen minimieren, dabei Pollenberichte beachten –> Pollendaten Schweiz (Echtzeit)
- Fenster schliessen
- Duschen/Haare waschen, bevor man ins Bett geht
- Nasenduschen mit Salzspülungen (z. B. Emser oder Meersalz oder Kochsalz) nach Exposition draussen
- Draussen Sonnenbrille tragen
- Milbendichte Schutzbezüge für die Matratze und Bettwäsche bei bestätigter Milbenallergie
(–> aha! Allergiezentrum Schweiz)
Kortison-Nasenspray
- Es gibt verschiedene Wirkstoffe (Budesonid, Fluticason, Mometason), teilweise auch in Kombination mit Antihistaminika (Azelastin + Fluticason)
- Ist in Kombination mit Salzspülungen der Nase die effektivste Therapie, wenn sie als Dauertherapie verwendet wird
- Dosierung: 2 x tgl. Salzspülungen. Akuttherapie Beginn mit Maximaldosis gemäss Compendium, danach Reduktion auf die mindestwirksame Dosis je nach Präparat
1–2 x tgl. 1 Hub in jedes Nasenloch; < 12 Jahren 1 x tgl. 1 Hub in jedes Nasenloch - Nebenwirkungen (NW): Austrockung der Schleimhäute, Nasenbluten. Therapie der NW:
1 x tgl. Nasensalbe (z. B. Bepanthen® oder Nasensalbe Rüedi®)
Antihistaminika
- Geeignet sind sich alle Antihistaminika, die spezifisch H1-Rezeptoren blockieren
Cetirizin (Zyrtec®, Generika)
Loratadin (Claritine®, Generika)
Fexofenadin (Tekfast®, Telfast Allergo®, Generika)
Bilastin (Bilaxten®, Generika)
Desloratidin (Aerius®, Generika)
Levocetirizin (Xyzal®, Generika)
Augentropfen mit Antihistaminika oder Mastzellstabilisatoren
- 2–4 x tgl. 1 Tropfen in jedes Auge, fix für die Pollensaison (ganzjährig bei perennialer AR) oder bei Bedarf (z. B. Livostin Tropfen®) und Livostin Nasenspray® zusätzlich über den Tag verteilt, sollten topische Steroide und orale Antihistaminika nicht ausreichen (insbesondere in der Aufdosierungszeit)
- Desensibilisierung ist die einzige kausale Therapie
- Indikation zur Desensibilisierung setzt allergologische Abklärung voraus
- Therapieformen: Subkutane Immuntherapie (SCIT) und sublinguale Immuntherapie (SLIT). Bei mehr als 2 Allergenen und/oder manifestem Asthma geht die Empfehlung eher zu SCIT, Entscheid grundsätzlich gemeinsam mit Patienten
Voraussetzungen/Indikationen für Desensibilisierung
- Symptome trotz medikamentöser Therapie bzw. Massnahmen zur Allergenkarenz. Mindestens 3 Jahre (Saisonen) bestehende Beschwerden; bei Hochrisiko-Kindern (Eltern haben auch AR) schon nach 1 Saison/Jahr
- Asthma allergicum
- Nachgewiesene klinisch relevante Sensibilisierung
- Patient wünscht eine Desensibilisierung
- Es gibt kein Mindest- oder Höchstalter. Aber: Bei Kindern erst dann eine Desensibilisierung durchführen, wenn das Kind dazu bereit/in der Lage ist
- Wichtig: Während der Desensibilisierung darf und soll die symptomatische Therapie unverändert fortgesetzt werden!
Kontraindikationen
- Beginn der Desensibilisierung in der Schwangerschaft
- Ansonsten gibt es keine absoluten Kontraindikationen
Besondere Situationen
Schwangerschaft
- In der Aufdosierungsphase soll die Desensibilisierung gestoppt werden (Ausnahme: Bienen/Wespengift-Desensibilisierung in schweren Fällen)
Asthma
- Asthmatiker mit leichtem bis mittelgradigem Asthma können desensibilisiert werden. Grundsätzlich sollte vor Desensibilisierung immer auf Asthma abgeklärt werden. Eine gute Einstellung ist vor/während der Desensibilisierung Voraussetzung (FEV1 > 70 %)
- SCIT kann jederzeit gestartet werden, auch während der Pollensaison
- Aufdosierungsphase: Injektionen in steigender Dosierung – in der Regel alle 7 Tage (Intervalle können bis auf 14 Tage ausgedehnt, aber nicht verkürzt werden) bis zur Maximaldosierung
- Grundsätzlich erfolgen die Injektions-Intervalle immer gemäss der Fachinformation
- Es können mehrere Präparate zeitgleich injiziert werden, ohne zeitlichen Abstand
- Nach der Injektion sollen die Patienten 30 Minuten zur Überwachung in der Praxis bleiben
- Bei grösseren Injektionsabständen während der Aufdosierung oder der Erhaltungstherapie
–> wie im Compendium angegeben - Bei Fieber oder Infekten: Injektionspause, bis das Fieber abgeklungen ist. Ein banaler Schnupfen ist keine Kontraindikation gegen eine Desensibilisierung
Nebenwirkungen
- Vor Beginn jeder Desensibilisierung Aufklärung über mögliche allergische Reaktionsformen und Abgabe eines Notfallsets (am besten als Schlüsselanhänger) mit je nach Körpergewicht angepasstem Antihistaminikum und Prednisolon oral
Lokale Reaktionen
- Lokale Nebenwirkungen sind kein Grund die Behandlung abzubrechen
- Lokale Reaktionen müssen nicht jedes Mal gleich ausgeprägt sein und sind nicht unbedingt dosisabhängig
- Es besteht kein erhöhtes Risiko für systemische Reaktionen
Therapie
- Kühlung (lokal)
- Antihistaminika: Z. B. 1–2 Tabletten 30 Minuten vor SCIT einnehmen
- Präparat wechseln (selten nötig)
Systemische Reaktionen
Behandlung wie eine Anaphylaxie –> Notfalltherapie
- Desensibilisierung muss aber nicht gestoppt werden
- Es soll die gleiche Dosis wie bei vorangegangener Sitzung gewählt werden (Dosisreduktion nur bei schwerer systemischer Reaktion)
- 30–60 min vor nächster planmässiger Injektion Anthistaminikum (Tbl.) einnehmen
- Ersteinnahme der Tablette soll in der Arztpraxis erfolgen mit 30 min Überwachung
- Bei mehreren Präparaten gestaffelte Erstgabe im Abstand von jeweils 1 Monat
- Mehr als 2 Präparate werden für SLIT nicht empfohlen
- Tablette 1 Minute nicht schlucken, danach 5 Minuten nicht essen oder trinken
- Tageszeit spielt keine Rolle, aber sollte immer etwa zur gleichen Tageszeit eingenommen werden
- Bei mehreren Präparaten mindesten 5 Minuten Abstand zwischen den einzelnen Tabletten
- Therapieunterbruch: Echtes Fieber > 38,5 °C (für die Dauer des Fiebers), offene Wunden/Operationen in der Mundhöhle
- Danach mindestens 3 Jahre lang jeden Tag eine Tbl. unter die Zunge legen
- Beachte: Lokalreaktionen können nicht nur bei der ersten Einnahme auftreten, sondern selbst noch nach 2 Jahren
Nebenwirkungen
- In den ersten Wochen (selten auch Monaten) können allergische Symptome auftreten (Kribbeln im Mund, Schwellung, Unwohlsein). Antihistaminika können auch immer dazu eingenommen werden
Verlaufskontrolle
- Initial kurz vor Ende der ersten Packung zur Überprüfung der Compliance und Verträglichkeit, danach mindestens 1 x/Jahr durch Arzt