Otitis externa
Infektiöse oder nicht-infektiöse Entzündungen des äusseren Gehörgangs/der Ohrmuschel. Akut (< 6 Wochen) versus chronisch (> 3 Monate).
Alle Altersstufen, am häufigsten bei Kindern/Jugendlichen zwischen 7 und 14 Jahren. In 95 % der Fälle akut
- Bakteriell (am häufigsten), viral oder fungal
- Risikofaktoren: Wasser, Trauma (z. B. Wattestäbchen), Vorerkrankungen/Prädisposition (z. B. Psoriasis, Ekzemneigung, Obstruktion (Cerumen, Fremdkörper), Immunsuppression
Symptome
Ohren-/Tragusschmerz, Reduzierter AZ evtl. mit Lymphadenopathie und/oder Fieber, ggfls. Otorrhoe
Diagnostik
- Otoskopie (beachte mögliche Anzeichen für gleichzeitige Otitis media!)
- Inspektion der umliegenden Lymphknoten
- Antibiogramm, Pilzdiagnostik, Blutbild (je nach Risikokonstellation)
- Erst bei kompliziertem Verlauf Überweisung an Spezialisten
–> Primär KEINE systemischen Antibiotika notwendig, Ciprofloxacin erst nach Resistenzprüfung!
- Reinigung des Ohres –> mit Tuch und Granudacyn®-Lösung auswischen, nicht spülen!
- Bei unkomplizierter Otitis externa: Antibiotische Lokaltherapiec –> Symptome sollten innerhalb von 48 h zurückgehen!
- Systemische Antibiotika nur bei Immunsuppression, Diabetikern, multimorbiden Patienten, V. a. maligne Otitis externa, zeitgleiche Otitis media
- Bei Neigung zu Ekzem/Psoriasis: Elidel über 6 Monate 1 x täglich, anschliessend nach Möglichkeit ausschleichen
Otitis media
Meist bakterielle Entzündung der Schleimhäute des Mittelohrs (viral, bakteriell). Insbesondere Klein(st)kinder betroffen
Symptome
- Plötzlich auftretende Ohrschmerzen
- Hörminderung
- Fieber
- Appetitlosigkeit
- Reizbarkeit
- Weinen
- Reduzierter AZ
Beachte: Kleine Kinder mit AOM, insbesondere Säuglinge, können unspezifische Symptome und Anzeichen aufweisen (z. B. Fieber, Unruhe, gestörter oder unruhiger Schlaf, schlechte Nahrungsaufnahme/Anorexie, Erbrechen, Durchfall)
Abklärung
Otoskopie
- Gerötetes, gelblich oder wolkiges Trommelfell (TF)
- Folgende Befunde sprechen mit grosser Wahrscheinlichkeit für die Diagnose
- Das TF ist nach aussen gewölbt und entdifferenziert
- Hinter dem Trommelfell ist ein Flüssigkeitsspiegel zu erkennen oder
- Das TF ist perforiert und/oder es besteht eine Otorrhoe
Beachte: Eine ausschliessliche Rötung des TF ist kein zuverlässiges Zeichen einer akuten Otitis
Hinweis auf Komplikationen (selten)
- Mastoiditis*, Hörverlust (passager oder andauernd), Meningitis, Sinusvenenthrombose, Rezidive
* Mastoiditis-Zeichen: Typischerweise verstärken sich die Ohrschmerzen plötzlich wieder, steigendes Fieber. Das Gewebe über dem Mastoid ist geschwollen, gerötet und druckempfindlich, die Ohrmuschel steht aufgrund der Schwellung ab, der äussere Gehörgang ist verengt. Die Kinder sind meist schwer krank –> Sofortige Überweisung an einen HNO-Spezialisten!
Cave: Schüttelfrost kann auf eine Sepsis oder Sinusvenenthrombose hinweisen!
Analgetika
Symptomatische Therapie: Paracetamol und NSAR sind Mittel der Wahl zur Schmerzlinderung
- NSAR (1. Wahl)
Dosierung- Ibuprofen (Algifor® Junior, Algifor® Dolo Junior) 30 mg/kgKG/d, verteilt auf drei Einzeldosen (Wirkdauer: ca. 8 h) oder
- Mefenacid Suppositorien oder
- Diclofenac (Voltaren® Tropfen) 2–3 mg/kgKG/d (aber nicht für Säuglinge!)
- Paracetamol (z. B. Dafalgan® Sirup/supp, Acetalgin® supp, Ben-u-ron® Saft/supp)
Dosierung: Bei Kindern Tagesgesamtdosis max. 60 mg/kgKG/d. Dosierungsintervall: ca. 4–6 h- Säuglinge 3–6 Monate (4–6 kg): 4 Suppositorien à 80 mg (= 320 mg)
- Säuglinge 6–12 Monate (7–10 kg): 4 Suppositorien à 125–150 mg
(= 500–600 mg) - Kleinkinder 1–3 Jahre (10–15 kg): 4 Suppositorien à 150 mg (= 600 mg)
- Kinder 3–6 Jahre (15–22 kg): 4 Suppositorien à 250 mg (= 1‘000 mg)
⇒ Tipp: Dosierungen von Medikamenten im Kindesalter können online bei SwissPedDose oder unter mediX Pädiatrie: Fieber-, Schmerz- und entzündungshemmende Medikamente – Dosierungsliste eingesehen werden!
Ausserdem
- Frühzeitiges Einsetzen von Nasensprays (Gel-basiert oder mit NaCl) oder systemische Abschwellung (Otrivin®, Rinosedin®, Triofan®, Nasivin®) verringert den Einsatz von Antibiotika im Verlauf und lindert insbesondere bei gleichzeitig bestehender Rhinitis die akuten Beschwerden
- Nicht empfohlen: Pro- und Präbiotika haben keine prophylaktische Wirkung
Indikation Antibiotika
- In den meisten Fällen sind Antibiotika nicht indiziert. In ca. 80 % heilt eine akute Otitis media unter symptomatischer Therapie ab
- Bei Patienten ohne Risikofaktoren mit einer unkomplizierten akuten Otitis media –> 24–48 h watchful waiting. Als Faustregeln gelten
- Primäre Antibiotikagabe: Siehe Hinweis unter „Antibiotikum-Wahl“ weiter unten
Kinder
- < 2 Jahre: Bei intaktem TF Analgesie und Reevaluation nach 24 h, bei Persistenz oder Verschlechterung –> sekundär AB
- ≥ 2 Jahre: Bei intaktem TF Analgesie und Reevaluation nach 48 h, bei Persistenz oder Verschlechterung –> sekundär AB
- Eventuell Reserveabgabe von Antibiotika an die Eltern
Eine primäre Antibiotikatherapie kann in folgenden Situationen empfohlen werden
- Eitrige Otorrhö (TF-Perforation, schlechter AZ)
- Intaktes TF, aber bds. AOM, einzig hörendes Ohr, Otitis-prone-Kind, anatomische Fehlbildung, Immunschwäche
Beachte
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Die Verhinderung einer Mastoiditis ist keine sinnvolle Indikation für eine primäre AB-Therapie, da diese Komplikation zu selten ist. NNT: > 4‘000
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Ein persistierender seröser Paukenhöhlenerguss ist normalerweise keine Indikation für Antibiotika und schleimhautabschwellende Nasentropfen
Erwachsene
- Antibiotika nur bei Persistenz der Schmerzen über 3 d unter symptomatischer Therapie
Antibiotikum-Wahl
Kinder
- 1. Wahl: Amoxicillin 25 mg/kgKG 2 x/d p.o. für 5(–10) d
- 2. Wahl: Cefuroxim 15 mg/kgKG 2 x/d für 5(–10) d*. Bei Penicillin-Allergie: Clarithromycin 7,5 mg/kgKG 2 x/d für 5 d
- Bei Fieberpersistenz > 72 h, Rezidiv innert 4 Wo: Amoxicillin-Clavulanat 40–45 mg/kgKG 2 x/d p.o. für 5(–10) d*
* Hinweis: Bei Kindern < 2 J. mit TF-Perforation oder Otitis-prone-Kind (d. h. > 2 Episoden/6 Monate oder 4 Episoden/Jahr)wird eine 10-tägige Therapie empfohlen (vgl. www.pigs.ch); diese ist etwas effektiver als die 5-tägige Kurztherapie
Erwachsene
- 1. Wahl: Amoxicillin 3 x 500–750 mg/d p.o. für 5 d oder Am-CL 2 x 1 g/d p.o. für 5 d
- 2. Wahl: Cefuroxim 2 x 500 mg/d p.o. für 5 d, bei schwerer Penicillinallergie Trimethoprim/Sulfamethoxazol (TMP-SMX) 2 x 960 mg p.o. für 5 d
- Bei zweiter Episode innert 1 Monat: Amoxicillin/Clavulansäure 1 g bid p.o.
Otitis interna/Labyrinthitis
- Reduzierter Allgemeinzustand (evtl. mit Fieber)
- Schwindel mit Übelkeit und Erbrechen
- Hörverlust und/oder Tinnitus
- Andere neurologische Symptome wie Nystagmus, Doppelbilder, Gangstörung
Bei Verdacht auf eine Labyrinthitis ist immer eine Überweisung zu einem Spezialisten (HNO/ORL) indiziert
- Hörvermögen testen
- Otoskopie (Entzündungszeichen des äusseren Ohrs/Gehörgangs erkennbar? Z. B. Paukenerguss, Cholesteatom, Blutbläschen)
- V. a. Meningitis oder Mastoiditis?
- Neurologische Untersuchung –> Frenzelbrille, HINTS, KIT (–> Video)
- Labordiagnostik je nach Symptomatik
- In unklaren Fällen: MRI oder CT
Richtet sich nach Ursache und Symptomen
- Virale Labyrinthitis: Symptomatische Therapie (Schmerzmittel, Antiemetika). Bei Verschlechterung des Zustands oder neu aufgetretenen neurologischen Symptomen: Überweisung zum Spezialisten!
- Bakterielle Labyrinthitis: Antibiotische Therapie, richtet sich nach dem Auslöser (Antibiogramm)
Bei fehlendem Ansprechen einer oralen AB-Therapie: i.v.-Antibiose einleiten - Autoimmun-Labyrinthitis: Initial Corticosteroide. Im Verlauf Cortison-sparende Immunsuppressiva (Kostengutsprache durch Spezialisten nötig)
Mobilisation: So rasch wie möglich, auch wenn die Patienten aufgrund der Symptomatik jede Bewegung vermeiden möchten! –> frühe Mobilisation ist assoziiert mit besserem Outcome!