Qualitätssicherung darf kein bürokratisches Monster werden

Publiziert am 17. November 2021 von Felix Huber

In meiner Kolumne im Online-Magazin medinside habe ich aufgezeigt, wie bei der Umsetzung des neuen Qualitätsartikels 58 KVG gerade versucht wird, die Wirklichkeit an ein bürokratisches Monster anzupassen. Die Fixierung auf Projektfinanzierung missachtet die bisherigen Qualitätsinstitutionen sträflich und schafft einen administrativen Overkill.

Im neuen Artikel 58 KVG werden Verträge zwischen den Verbänden der Leistungserbringer und den Versicherern gefordert und es wird eine Qualitätskommission eingesetzt mit einem 4-Jahresbudget von 45 Mio. Natürlich waren die Qualitätsverträge längst fällig. Seit der Einführung des KVG 1996 sind diese in Artikel 58 (alt) vorgeschrieben und wurden in diesen 25 Jahren nicht umgesetzt. Das wird sich jetzt mit dem erweiterten Art. 58 ändern und hat allgemeine Hektik ausgelöst. Diese vertraglichen Vereinbarungen sind überfällig.

Was KVG Art 58 neu und die Verordnung dazu aber darüber hinaus mit der neuen Eidgenössischen Qualitätskommission (EQK) festlegen wollen kann nur als realitätsfremd und destruktiv bezeichnet werden. Mit der ideologischen Fixierung auf ausschliessliche Programm- und Projektfinanzierung zerstört man langjährige Qualitätsinstitutionen in der Schweiz. So haben die Stiftung für Patientensicherheit und viele Zertifizierungsorganisationen (wie z.B. EQUAM) in den letzten 20 Jahren wertvolle Qualitätssicherung geleistet. Diese privaten Institutionen haben mit ihrer kontinuierlichen Arbeit gezeigt, wie man die Qualität misst, verbessert und sicherstellt.

Qualitätssicherung ist eben weit mehr als nur Projektarbeit. Sie braucht ein Kontinuum mit laufender Weiterentwicklung der Indikatoren. Ausgerechnet der Stiftung für Patientensicherheit wurden jetzt gerade gestützt auf Art. 58 KVG und der Verordnung dazu sämtliche Mittel entzogen, weil Gelder nur noch für Qualitätsprojekte gesprochen werden. Der einzige Weg für die hochentwickelten Qualitätsinstitutionen in der Schweiz liegt in der mühsamen Eingabe Projekten, die dann zu 50% selbst finanziert werden sollen. Ist es behördliche Unwissenheit, Naivität, destruktive Böswilligkeit oder realitätsfremde Ideologie?

Interessanterweise hat sich diese realitätsferne Interpretation der Qualitätsarbeit beim BAG wie ein Myzel in andere Bereiche der Qualitätsauflagen eingenistet. So werden in der Umsetzung des Heilmittelgesetzes in der Verordnung VITH als Bedingung für Einsatz von ausgehandelten Rabatten «neue» Qualitätsprojekte gefordert. Ärztenetze und Fachgesellschaften betreiben aber seit vielen Jahren mit grossem Aufwand eine kontinuierliche Qualitätskontrolle und Qualitätstransparenz. Man wird den Eindruck einfach nicht los, dass das BAG die bereits etablierte Qualitätsstruktur zerstören will. Aber unter bürokratischem Furor wird kein Phönix aus der Asche steigen.

Qualitätsinstitutionen sind weit mehr als Projekt-Dienstleister. Sie haben über Jahrzehnte gute, unabhängige Arbeit geleistet und sich für das Gesamtsystem engagiert. Diese bestehenden Qualitätsorganisationen bauen auf kontinuierlichen Qualitätskontrollen auf und entwickeln sich laufend weiter. Die Fixierung des BAG auf Projektfinanzierung missachtet geradezu bösartig diese wertvolle Aufbauarbeit und baut neue potemkinsche Dörfer auf Sand und Ideologie. Auch dieses grossangelegte Projekt, die Umsetzung von Art. 58 wird, wie so viele zentrale Aufgaben des BAG auf der Strecke bleiben und eine Spur der Verwüstung zurücklassen. 

Dr. med. Felix Huber, Präsident der mediX Ärztenetze